Seminar iür Geschichtliche Hilfs- wissenschalten u. Paläographischer l| y^ Apparat
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Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien
Philosophisch -historische Klasse
Historische Kommission
Archiv
für
österreichische G-eschichte
105. Band
^5.-44
Wien, 1917
In Kommission bei Alfred Holder
k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler Bnchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien
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Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien
Philosophisch -historische Klasse
Historische Kommission
Archiv
für
österreichische Geschichte
105. Band
2. Hälfte
Wien, 1917
In Kommission bei Alfred Holder
\. XL, k. Hof- und Universitäts-Bucbhändler Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien
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Druck von Adolf Holzhausen, k. und k. Hof- und UniYfirsitäts-Buehdrncker in Wien.
Inhalt des 105. Bandes.
2. Hälfte.
Seite Die Berichte der erzählenden Quellen über die Schlacht bei Mühldorf.
Gesammelt und untersucht von Wilhelm Erben 229
Die Berichte
der
erzählenden Quellen
über die
Schlacht bei Mühldorf
gesammelt und untersucht
Wilhelm Erben,
korresp. Mitgliede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien
■^
Druck von Adolf Holzhausen, k und k. Hof- und UniTer»iUU-Buchdrucker in Wien.
Jjaß die Benützung erzählender Quellen im besonderen Maße dann mit Vorsicht gehandhabt werden müsse, wenn es sich um Erkenntnis oder Darstellung kriegerischer Vor- gänge handelt, das haben wohl alle empfunden, die in wissen- schaftlichem Sinn an solche Aufgaben herantraten. Be- stimmteren Ausdruck versuchte diesem Gedanken Gustav Droysen zu geben, als er vor mehr als fünfzig Jahren, in den Anfängen seiner Hallenser Lehrtätigkeit und seiner Beschäftigung mit Gustav Adolf stehend, einem Aufsatz über die Schlacht bei Lützen einige methodische Bemerkun- gen vorausschickte (Forschungen zur deutschen Geschichte 5, 71 ff.). Er glaubte die besondere Schwierigkeit der ,Über- lieferung von Schlachten, Belagerungen und derartigen Er- eignissen*^ darin zu finden, daß sie ,leicht dem persönlichen Anteil der beteiligten Berichterstatter eine übertriebene Be- deutung^ beilege, und daß ,mißverstandene Einzelheiten dem Ereignis näher stehender Quellen^ den auf ihnen aufgebauten ,späteren Bericht mit Mißverständnissen und Irrtümern er- füllen müssen^. Er folgerte daraus, daß der Wert der für Kriegstatsachen in Betracht kommenden Quellen ,mit deren chronologischer Reihenfolge auf eine reißende Weise^ ab- nehme. Da ,das fortschreitende Anwachsen, die allmähliche Weiterbildung der Überlieferung^ es erschwere, das scharf zu erkennen, ,was unmittelbar, gleichsam angesichts des Er- eignisses aufgefaßt und in sie übergegangen ist^, so bestehe die Aufgabe der Forschung darin, ,die Überlieferung so viel wie möglich zu ordnen, so zwar, daß wir die Berichte danach höher oder geringer schätzen, ob sie, der Zeit, dem Ort und dem Verfasser nach, dem Ereignis näher oder ferner stehen und ob sie mehr oder minder selbständig sind^ Diese an die Lützener Schlacht geknüpften Betrachtungen passen auch auf andere Kriegsereignisse, ja die Gründe, weshalb bei solchen mit einer erhöhten Fehlermöglichkeit erzählender
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232 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
Quellen zu rechnen und darum verschärfte Kritik geboten ist, sind mit Droysens Aufzählung keineswegs erschöpft.
Es ist selbstverständlich, daß der jeweilige Standpunkt des Beobachters auf die Beschaffenheit der ältesten Berichte nicht bloß dann Einfluß nimmt, wenn solche von Teilnehmern des Kampfes, sondern ebenso auch, wenn sie von benachbarten Nichtkämpfern herrühren, und daß es hier wie dort von ihrer Beobachtungsgabe und ihrem Auffassungsvermögen ab- hängen wird, ob sie das Wesentliche aus der Fülle der Einzelheiten herauszuheben vermögen. Mit gutem Grunde hat Bernheim, wo er von der einer schriftlichen Tradition zugrunde liegenden unmittelbaren Wahrnehmung spricht (Lehrbuch der histor. Methode, 5. u. 6. Aufl., S. 481 f.), seine Beispiele von dem Schlachtfeld hergenommen, weil gerade hier der Unterschied verschiedener Bedingungen für die Er- fassung eines Erlebnisses besonders deutlich in die Augen springt. In sehr vielen Fällen können also den ersten Be- richten über die Schlacht Fehler angehaftet haben, die in den subjektiven Verhältnissen der Beobachter lagen. Aber auch objektiv geben Schlachtberichte reichlicheren Anlaß zur Annahme einer gewissen Fehlerhaftigkeit als Berichte über friedliche Vorgänge. Unentbehrlich sind für das rich- tige Verständnis kriegerischer Entscheidungen genaue An- gaben über die Zeit und die Örtlichkeit des Kampfes. Die- sem Bedürfnis entsprechend, haben denn auch bei solchen Gelegenheiten viele Chronisten des Mittelalters, die sonst mit Zeit- und Ortsangaben sparsam umgehen, selbst die Tages- zeit und Stunde gemeldet und es nicht verschmäht, kleine Ortschaften und Wasserläufe anzuführen. Wohl oder übel vertraut sich ihnen mancher Benutzer an, wenn ihm kein anderes Hilfsmittel zu Gebote steht, redlich bemüht, diese Angaben der Quellen richtig zu deuten. Aber es darf nicht vergessen werden, daß die äußeren Umstände es auch den Nächstbeteiligten oft sehr erschwert haben können, in dieser Hinsicht genau zu berichten. Durch die Kaschheit, mit der das wechselnde Eingreifen verschiedener Streitkräfte er- folgte, und durch die aufgeregte Spannung der Schlacht, welche lange kämpf erfüllte Zeiträume kurz, dagegen kurze Augenblicke des Wartens lang erscheinen ließ, müssen rieh-
Einleitung. 233
tige Zeitschätzungen bei kriegerischen Ereignissen von vorn- herein sehr erschwert worden sein. Nehmen wir dazu den Mangel an Uhren, die ungenaue Tageseinteilung, die dem Mittelalter eigen war, und die Mehrdeutigkeit, die gewissen Zeitbezeichnungen im 14. oder 15. Jahrhundert zukam, weil damals die kanonische Stunde neben verschiedenen Arten der Äquinoktialstunde einherlief, so sind das Gründe genug, um die in den Schlachtschilderungen der Quellen enthalte- nen Zeitangaben zweifelnd anzusehen. Ortsangaben über einen Kampf oder Heereszug werden, wenn sie von kundi- gen Landesbewohnern auf Grund von Selbstbeobachtung auf- gezeichnet wurden, guten Glauben verdienen. Beruhen aber die ersten Aufzeichnungen über ein Kampfereignis auf den Mitteilungen oder Erinnerungen von Teilnehmern, die nur der Kriegszug in die betreffende Landschaft geführt hatte, so steht es wesentlich schlechter um die Zuverlässigkeit der überlieferten Orts- oder Flußnamen; in Ermanglung von Landkarten und bei dem Fehlen amtlich festgestellter und ersichtlich gemachter Benennungen auf die Auskünfte der Landesbewohner angewiesen, wird der Krieger und selbst der Heerführer von diesen nur die allerwichtigsten Namen erkundet und seinem Gedächtnis einigermaßen eingeprägt haben.
Indem nun auf Grund solcher von ihrem Ursprung her einseitig gesehener, in bezug auf Zeit- und Ortsangaben manchmal gewiß sehr dürftiger Gedächtnisbilder von dem Teilnehmer selbst oder von einem Mitlebenden schriftliche Aufzeichnungen des kriegerischen Hergangs angefertigt werden, mehren sich die Fehlerquellen noch in beträchtlichem Maße. Nicht nur Mißverständnisse und verstärkte parteii- sche Auffassung werden jeder nachträglichen Aufzeichnung gefährlich; mehr noch der Wunsch und die Notwendigkeit, aus den vorliegenden ungenügenden Erinnerungen oder Mit- teilungen ein dem Leser verständliches, eindrucksvolles Bild zu gestalten. Der Kampf der gegnerischen Heere zog immer als ein Wendepunkt der politischen Lage und als eine Ge- legenheit, die Helden der Erzählung in besonderes Licht zu stellen, alle Fähigkeiten der Chronisten auf sich. Es bedurfte stark entwickelter kritischer Gaben, wenn sie nicht hier der
234 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
Versuchung erliegen sollten, Lücken der ihnen gewordenen Kunde eigenmächtig auszufüllen. Und was die Feder des Schreibenden, vielleicht noch von Zaghaftigkeit zurückge- halten, bescheiden versucht, dasselbe besorgt gleichzeitig und in freierem Walten die mündliche Fortpflanzung jedes Schlachtberichtes. Auch sie trachtet das Fehlende zu er- gänzen, das Überraschende zu erklären. Dazu liegt es im Wesen des Krieges, daß die Taten im Munde der Kämpfer und namentlich der Sieger wachsen, so daß sich an be- deutende Schlachten auf diese Art frühzeitig eine übertrei- bende Ausmalung persönlicher Verdienste knüpft. Wenn dem Ereignis selbst eine genügende und zu weiterer Ver- breitung gelangende schriftliche Festhaltung unmittelbar nachfolgt, so sind der Sagenbildung die Wege einigermaßen versperrt. Hat sie trotzdem auch im Zeitalter des Buch- drucks da und dort Eaum gefunden, sich auszubreiten, um wie viel günstiger mögen ihre Bedingungen vor dieser Er- findung gewesen sein. Der Zeitraum weniger Jahre kann der Einbildungskraft des Volkes vollständig genügt haben, um ein stark von der Wahrheit abirrendes Bild eines Kriegsereig- nisses zu erzeugen. Anscheinend vollkommener als die spär- lichen Erinnerungen, welche die vom Kriegsschauplatz heim- kehrenden Kämpfer zuerst zu erzählen wußten, kann dann nachträglich auch dieses Phantasiebild sehr wohl in die schriftliche Berichterstattung aufgenommen worden sein und hier einem aus bester Hand herstammenden Augenzeugen- berichte zum Verwechseln ähnlich sehen.
Diese Verhältnisse sind so bekannt, daß auch die Ver- pflichtung des Kriegsgeschichtsschreibers, den erzählenden Qaiellen eine besonders sorgsame und eingehende Behand- lung zu widmen, kaum ernstlich bestritten werden dürfte. Wollte man nun aber auf Grund dessen erwarten, daß zwi- schen der Erforschung der Kriegsgeschichte und der Unter- suchung der erzählenden Quellen sich engere und bleibende Verbindungen geknüpft hätten, so könnte doch nur in sehr beschränktem Sinne von der Erfüllung solcher Hoffnungen gesprochen werden. Auf dem Gebiete, welches Droysen den Anlaß zu seinen oben angedeuteten Erwägungen über die Quellen der Kriegsgeschichte gegeben hatte, in der Bearbei-
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timg der Geschichte des 17. Jahrhunderts, hat sich in der Tat ein enges Zusammenwirken zwischen der Kriegsgeschichte und dem Studium der erzählenden Quellen herausgebildet. Die Sammlung und kritische Sichtung der gedruckten Re- lationen, Flugschriften und ältesten Zeitungen hat von Droysens Studien über zwei Hauptgestalten des Dreißigjähri- gen Krieges den stärksten Anstoß erhalten und ist auch weiterhin von Droysens Schülern und anderen Forschern in Verbindung mit der Kriegsgeschichte jener Zeit ge- fördert worden. Seltener ist bei der Behandlung mittelalter- licher Schlachten ein so enger Zusammenhang zwischen Kriegsgeschichte und Erforschung der erzählenden Quellen zu beobachten. Die großen Werke der deutschen, französi- schen und englischen Literatur, die im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte den verschiedenen Seiten des abendländi- schen Kriegswesens gewidmet wurden, haben zwar auch zu einer vollkommene^i Neubearbeitung der Kriegsgeschichte des Mittelalters geführt, für welche die erzählenden Quellen die Hauptgrundlage zu liefern hatten. Aber bei ihrer Be- nützung konnten sich die Bearbeiter vielfach schon auf Aus- gaben und Vorarbeiten stützen, welche das Zurückgreifen auf die handschriftliche Überlieferung und eine Neuauf- nahme der Untersuchung über Entstehungsweise und gegen- seitiges Verhältnis der Quellen überflüssig erscheinen ließen ; und auch wenn dies nicht zutraf, bestand selten die Neigung, oft auch gar keine Möglichkeit, solche Aufgaben im Eahmen einer kriegsgeschichtlichen Arbeit ernstlich in Angriff zu nehmen. So ist es in den meisten Fällen bei nützlicher Zu- sammenstellung derjenigen Quellen geblieben, welche für das zu schildernde Kriegsereignis in Betracht kommen, wo- mit dann aus sachlichen Giründen geschöpfte Urteile über den größeren oder geringeren Wert der betreffenden Schlacht- berichte verbunden wurden.
Zu denjenigen Ausnahmsfällen, in welchen die ange- strebte Darstellung eines mittelalterlichen Kriegsereignisses unserer Kenntnis der erzählenden Quellen zu größerem Vor- teil gereicht hat, darf der am 28. September 1322 ausgefoch- tene Kampf zwischen den beiden deutschen Gegenkönigen, Friedrich von Österreich und Ludwig von Bayern, gerechnet
236 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
werden. Die wertvollsten Arbeiten darüber sind nicht von dem Kreis der Kriegshistoriker, sondern von solchen For- schern ausgegangen, welche auch von anderen Fragen her mit dem Quellenstudium des Mittelalters vertraut waren. Zuerst hat im Jahr 1863 H. Pfannenschmid einen wichtigen Schritt in dieser Eichtung getan, indem er mit einer in den Forschungen zur deutschen Geschichte 3, 41 if . veröffentlichten Darstellung der Schlacht von Mühldorf, die er auf allen älteren Quellen kritisch aufzubauen und zu- gleich anschaulich zu gestalten bemüht war, die Untersuchung der an das Ereignis anknüpfenden Sagenbildung verband ; hier wird im Anhang (S. 83 ff.) eine Erklärung der bekann- ten Erzählung von Siegfried Schweppermann gegeben, welche für die Arbeitsweise der Chronisten des 15. und 16. Jahrhunderts lehrreich ist und zugleich ein vortreffliches Beispiel dafür bietet, wie sich in der Sage ein historischer Kern verbirgt. Dieses Verdienst Pf^nnenschmids aner- kennend, hat doch im folgenden Jahre Friedrich v. W e e c h, der schon in seiner Dissertation (Kaiser Ludwig der Bayer und König Johann von Böhmen, München 1860, S. 18, Anm. 58) die Willkür getadelt hatte, mit der ältere Dar- steller der Mühldorfer Schlacht von den Quellen Gebrauch machten, im Anschluß an ein paar Nachträge, die Pfannen- schmid selbst beibrachte, in den Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 82 ff", einige ,kritische Bemerkungen^ veröffent- licht, welche für die Behandlung der kriegsgeschichtlichen Quellen allgemein beachtet zu werden verdient hätten. Er machte auch seinem unmittelbaren Vorgänger den Vorwurf, daß er so wenig als die älteren Bearbeiter des Gegenstandes ,von dem Standpunkte ausgeht, den eine wissenschaftliche Behandlung nie verlassen darf, von einer tiefer begründeten und umfassenden Kritik der Quellen'. In der Absicht, dieses Versäumnis nachzuholen, schied Weech die erzählenden Quel- len der Mühldorfer Schlacht ,in solche, welche in der näch- sten Nähe des Kriegsschauplatzes oder wenigstens in den Erblanden der hervorragendsten Teilnehmer der Schlacht entstanden sind', und ,in solche, deren Entstehungsort weit ab von dem Schauplatze jenes Kampfes ist und deren Verfasser in keinen persönlichen Beziehungen zu den Streitenden stan-
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den'; nach dieser Rücksicht die wichtigeren Berichte ein- teilend, hob er sodann den überragenden Wert eines in zwei Fassungen überlieferten deutschen Schlachtberichtes hervor, untersuchte mit einigen Worten die Entstehungsart und das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Fassungen und for- derte, ,daß diese deutschen Erzählungen einer Darstellung der Schlacht zugrunde gelegt' und ,nach den Grundsätzen der richtigen Methode aus den übrigen Quellen nur solche Nachrichten herübergenommen werden' sollten, ,welche in den durch die Angaben jener begrenzten Rahmen passen, keine, welche den Berichten derselben widersprechen'. Und er schloß seine allgemeinen Erörterungen mit der treffenden und auch von späteren Kriegsgeschichtsschreibern nicht ge- nug beherzigten Mahnung, daß ,nicht an den einzelnen Sätzen nach ihrer Glaubwürdigkeit oder Wahrscheinlichkeit die Kritik geübt werden' darf, ,sondern zuerst an dem Gan- zen, dem sie angehören. Nur wenn dieses die Probe bestan- den, dürfen auch seine Teile als bewährt und verläßlich hin- genommen werden'.
Weech glaubte sich auf diese Weise den Weg für eine zutreffende Darstellung der Schlacht gebahnt zu haben. Aber er hatte, selbst wenn die Quellenuntersuchung, die er mehr andeutete als ausführte, erschöpfend gewesen wäre, doch nur einen Teil der hiefür nötigen Vorarbeiten erledigt. So kam es, daß auch sein Bild nicht als abschließend angesehen werden konnte. Abweichende Deutung einzelner Quellen- stellen, verschiedene Erwägungen über die örtlichen Ver- hältnisse und auch ungleichmäßige Bewertung der einzelnen Berichte haben daher nacheinander dem Oberstleutnant Würdinger (in den Sitzungsberichten der philos.-phi- lolog.-historischen Klasse der kgl. bayrischen Akademie der Wissenschaften zu München, Bd. 2, 1872, 462 ff'.) und Otto D o b e n e c k e r (in den Mitteilungen des Instituts für öster- reichische Geschichtsforschung, 1. Ergbd., 1883, 163 ff.), dem General Köhler (Göttingische gelehrte Anzeigen 1884, 1, 464 ff., dann Entwicklung des Kriegswesens und der Krieg- führung in der Ritterzeit 2, 1886, 283 ff.) und Adolf Bach- mann (in den Forschungen zur Geschichte Bayerns 14, 1906, 245 ff.) immer wieder Anlaß zu neuen Darstellungen
238 Die Bericht« über die Schlacht bei ^Mühldorf.
des Ereignisses gegeben. Von allen diesen Forschern war es Dobenecker, der sich zugleich um die Quellen der Schlacht das meiste Verdienst erwarb. Jene schon von Weeck beson- ders gerühmte deutsche Erzählung ist von ihm nach ihrer weitverzweigten handschriftlichen Überlieferung geprüft, eine ihrer beiden Fassungen ist dabei auf Grund der Hand- schriften neu herausgegeben und über den Ursprung dieser Quelle ist ein begründetes Urteil gefällt worden. Einige wertvolle Bemerkungen über die Parteistellung der Quellen verdankt man dem Aufsatz von Bachmann, der indes, jene deutsche Erzählung etwas geringer einschätzend, sie nicht so ausschließlich auf seine Auffassung des Hergangs wirken ließ wie Weech und eine sorgfältigere Abwägung ihrer Ein- zelangaben für nötig hielt, als sie ihr von Dobenecker zuteil geworden war.
Ist also im quellenkritischen Sinn für die Schlacht von Mühldorf ernster vorgearbeitet worden als für manches an- dere Kriegsereignis des Mittelalters, so mag es wunder- nehmen, daß ich gerade hier mit einer Ausführlichkeit, wel- che bei den kriegsgeschichtlichen Studien bisher nicht üblich war, von den Quellen, und zwar zunächst nur von den er- zählenden Quellen sprechen will. Der erste Anstoß dazu lag in meiner vor zwanzig Jahren veröffentlichten und in ihren Anfängen noch weiter zurückreichenden Untersuchung der Mattseer Quellen, wobei die Bestimmung des Entstehungs- ortes der auf 1322 bezüglichen Annalenstelle zu einer den bisherigen Ansichten ganz widersprechenden Auffassung des österreichischen Anmarsches vor der Schlacht bei Mühldorf führte (Neues Archiv 22, 483, Anm. 1). Da hier der rein quellenkritische Weg ein für die Beurteilung der Schlacht nicht unwichtiges Ergebnis gezeitigt hatte, ohne daß eigent- lich kriegsgeschichtliche Ziele verfolgt worden wären, so lag es mir schon vor zwei Jahrzehnten nahe, zu versuchen, ob denn die übrigen für dasselbe Kriegsereignis benützten Quellen mit genügender Schärfe auf ihre Entstehungsbedin- gungen angesehen worden seien, um für die Darstellung des Kampfes von ihnen zuversichtlich Gebrauch machen zu können. Dabei ergab sich bald, daß es für die einschlägigen Quellen, die damals zumeist noch gar nicht in den Rahmen
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der großen deutschen Quellen werke einbezogen worden waren, vieles zu tun gebe; auch die Bearbeitung der schon genann- ten, von mehreren Forschern so hoch geschätzten deutschen Erzählung über den Streit von Miihldorf erwies sich bei näherem Zusehen als nicht abgeschlossen. Nun ist allerdings seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die Editionstätig- keit auf dem Gebiet der spätmittelalterlichen deutschen Ge- schichtsquellen durchaus nicht stille gestanden, es sind viel- mehr durch die neuen Ausgaben, welche Seemüller der Chro- nik von den 95 Herrschaften, Schneider dem Johannes von Viktring, Leidinger, Eoth und Spiller den bayrischen Chro- nisten des 15. Jahrhunderts widmeten, die in Betracht kom- menden Quellengruppen vielseitig beleuchtet worden; ich sah aber darin keinen Grund, die gefaßte Absicht fallen zu lassen, und auch die jetzt sich eröffnende Aussicht auf Ein- beziehung mehrerer einschlägiger Quellen in die Arbeiten der Monumenta Germaniae (Neues Archiv 39, 6) hat, wie ich glaube, meinen Plan nicht überflüssig gemacht. Er be- schränkt sich auf die Nachrichten über die Mühldorfer Schlacht, geht aber hier darauf aus, die in diesem Einzelfall schon von Woech, in allgemeinem Sinne von Droysen er- hobenen Forderungen möglichst vollständig zu erfüllen, also zu ,einer tiefer begründeten und umfassenden Kritik der Quellen^ zu gelangen.
Für diesen Zweck war es zwar in jedem Fall nötig, nach der handschriftlichen Überlieferung zu fragen, aber nur in einzelnen Fällen mußte geradezu auf diese Grund- lage zurückgegangen werden. Auch die im Anhang abge- druckte Quellen aus wähl kann und soll durchaus nicht die Editionen ersetzen. Hauptaufgabe ist es hier, eine Übersicht des auf die Mühldorfer Schlacht bezüglichen Quellenstofl'es zu geben und ihn nach seinen Entstehungsbedingungen so zu ordnen, daß dadurch die Wertschätzung und Benützung erleichtert wird. Hatte dieses Ziel schon Weech vorgeschwebt, so stellte sich doch bald das Bedürfnis heraus, die Einteilung reicher zu gliedern, als er es vorgeschlagen hatte, wenn die verschiedenen den Wert der Quellen beeinflussenden Um- stände, zeitliche und örtliche Entfernung vom Ereignis, Be- ziehung der Verfasser zu den kämpfenden Teilen, Selbstän-
240 Die Berichte über die Schlacht bei Mülildorf.
digkeit oder Abhängigkeitsverhältnis der Aufzeichnung, zum Ausdruck kommen sollten. Die Einhaltung der zu diesem Zweck gezogenen Grenzen verursacht freilich inanche Schwierigkeiten, weil die Übergänge von der einen Gattung zur andern allmähliche sind, weil äußere Kücksichten hie und da eine Abweichung von der Ordnung nahelegen oder innere Gründe das Urteil über die Zugehörigkeit der Quelle zu dieser oder jener Gruppe erschweren. Als Grenze zwischen gleichzeitigen und jüngeren Eintragungen wurde das Jahr 1325 angenommen, so daß als gleichzeitig alle diejenigen Nachrichten gelten, die während der Gefangenschaft Fried- richs des Schönen niedergeschrieben worden sind; als betei- ligte Länder sind das Herrschaftsgebiet der Habsburger, die bayrischen Lande der Witteisbacher, dann Böhmen und die Fürstentümer der auf Friedrichs Seite stehenden Bischöfe angesehen worden; aber es gibt Quellen, deren Entstehung sich weder örtlich noch zeitlich so genau feststellen läßt, um sie in die so gewonnene Umgrenzung oder außerhalb derselben zu stellen. Und auch die Frage der Selbständigkeit ist nicht überall mit voller Gewißheit zu lösen, sobald man den Begriff der abgeleiteten Quelle, wie es hier geschehen mußte, auch auf Ableitung aus verlorenen Quellen ausdehnt. Von der Möglichkeit, solche nur aus Ableitungen bekannte verlorene Quellen von ihrer Überlieferung loszulösen und dort einzureihen, wohin sie nach ihrer ursprünglichen Be- schaffenheit gehörten, ist der bescheidenste Gebrauch gemacht worden, weil aus der Tatsache abgeleiteter Überlieferung, wenn nicht besondere Anzeichen dagegen sprechen, auch die Möglichkeit der Umgestaltung des Wortlautes hervorgeht. Auf Vollständigkeit können meine Ausführungen von vorn- herein keinen Anspruch erheben ; nur soweit es sich um gedruckte Quellen handelt, strebte ich darnach, und zwar auch nur für das 14. Jahrhundert und nur mittels Durchsicht der neueren Quellensammlungen. An ungedruckten oder weniger zugänglichen Aufzeichnungen mag mir selbst aus dem 14. Jahr- hundert einzelnes entgangen sein, und vollends alle Erwähnun- gen der Schlacht in späteren Darstellungen zu sammeln und zu beurteilen, war nicht meine Absicht; ich glaubte mich in bezug auf die abgeleiteten Quellen mit den wichtigeren
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241
Erzeugnissen der österreichischen, bayrischen und böhmi- schen Historiographie des ausgehenden Mittelalters begnü- gen zu dürfen und habe nur um der greifbaren Zusammen- hänge willen einerseits auf die im Elsaß und den habsburgi- schen Vorlanden entstandenen Geschichtsdarstellungen, an- derseits auf Aventin hinübergegriffen. Immerhin hoffe ich auch für Quellen, welche hier nicht einbezogen sind, die Einordnung und Wertschätzung durch die in den folgenden Abschnitten erörterten Merkmale zu erleichtern. Für die Quellenkritik und literarhistorische Erkenntnis des aus- gehenden Mittelalters gibt es ja noch reichliche Arbeit und sie wird selbst an diesem einzelnen Punkte nicht so bald abschließend zu erledigen sein. Für die Erkenntnis des historischen Ereignisses aber ist durch Einbeziehung weiterer erzählender Quellen kaum mehr ein Gewinn zu erhoffen.
Im ganzen lautet ja auch bei den hier besprochenen Quellen das Werturteil, zu dem meine Untersuchungen führ- ten, ungünstiger als das der früheren Darsteller des Er- eignisses. Ich habe mich durch die im Lauf der Unter- suchung immer wieder auftauchende Erkenntnis, daß der Wert der erzählenden Berichte sehr gering sei und daß nur ganz wenige von ihnen vollen Glauben verdienen, nicht in der Fortführung der Arbeit irre machen lassen, weil ich gerade dieser im Einzelfall begründeten negativen Erkennt- nis einen allgemeinen Wert für die Erforschung der Kriegs- geschichte des Mittelalters beimesse. Auch bei anderen Kriegsereignissen wird der Verwertung erzählender Quellen eine tief eindringende Quellenkritik vorangehen müssen. Aber ich möchte doch weder in diesem besonderen Fay, noch auch bei anderen Schlachten der Meinung Droysens folgen, daß mit solcher quellenkritischer Arbeit, also mit Feststellung des Wachstums, welches die Überlieferung durchgemacht, die Aufgabe des Kriegshistorikers erledigt sei. Es gibt für Mühldorf und auch sonst neben den er- zählenden Quellen noch andere Mittel, um den Tatbestand des Kampfes aufzuklären, und es verlohnt sich, sie anzu- wenden, weil mannigfache geschichtliche Fragen von solcher kriegsgeschichtlicher Arbeit aus beleuchtet werden können. Was für die Schlacht bei Mühldorf an Urkunden und ge-
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schichtlichen Aufzeichnungen zur Verfügung steht und was aus einer geschichtlichen und topographischen Betrachtung des Schlachtfeldes gewonnen werden kann, hoffe ich in weite- ren Arbeiten zu besprechen, die ich zwar in mehreren Rich- tungen gefördert, aber bisher noch nicht beendet habe. So- bald mir das gelingt, werde ich auch öffentlich für die schon jetzt dafür in reichem Maß mir zuteil gewordene Förderung von archivalischer Seite zu danken haben. Hier aber emp- finde ich es als meine Pflicht, diejenigen Herren zu nennen, welche mir bei den hiemit vorgelegten Untersuchungen ihre Hilfe liehen. Herr Hof rat Franz Eitter v. W i e s e r ging mir in zuvorkommendster Weise an die Hand bei dem Stu- dium der im Anschluß an Aventin schon jetzt zu erwähnen- den älteren bayrischen Kartenwerke und Topographien, in denen die Schlacht von Mühldorf berücksichtigt ist; Herr Hof- rat Josef Seemüller stellte mir einen ganzen Schatz von Abschriften und Vergleichungen der deutschen Erzählung über den , Streit^ zur Verfügung; die gütige Erlaubnis des vormaligen Direktors der k. k. Hofbibliothek, Hofrat Josef Ritter v. Karabacek, und des Vorstandes des Instituts für österreichische G-eschichtsforschung, Hofrat Emil v. Ottenthai, ermöglichte mir die bequemste Benützung der in Betracht kommenden Handschriften in den Räumen dieses Instituts, und auch der Bibliothekar des Stiftes Zwettl, P. Benedikt H a m m e r 1, sandte eine wertvolle Handschrift seines Stiftes an die genannte gastliche Stätte der Wissen- schaft und erleichterte mir dadurch wesentlich deren Be- nützung; zu wiederholten Malen hat endlich in alter Freund- schaft der Vizedirektor und Leiter der k. k. Hofbibliothek, Herr Regier ungsrat Josef Donabaum, meine auf mehrere Handschriften bezüglichen Bitten um Auskünfte und Licht- bilder erfüllt. Ich gedenke aller dieser, aber auch anderer in Einzelfragen mir zugute gekommener Hilfe sowie der ununterbrochen fortlaufenden Unterstützung, die ich bei allen Beamten der k. k. Universitätsbibliothek in Innsbruck fand, mit dem Gefühle wärmsten Dankes und weiß, daß ich nur durch sie in die Lage kam, von der lange geplanten Arbeit wenigstens diesen einen Teil zum Abschluß zu bringen.
I. Gleichzeitige Nacliricbten. 243
I. GHeichzeitlge Nachrichten.
Die Möglichkeit, in den Verlauf eines Kriegsereignisses Einblick zu gewinnen, hängt von mannigfachen TTmständen ab, die sich kaum in allgemeinen Regeln zur Anschauung bringen lassen, aber in jedem Fall wird es für das Ver- ständnis der KampfvoTgänge von großer Bedeutung sein, ob uns Berichte von den Mitkämpfern selbst erhalten sind. Die regelmäßige amtliche Berichterstattung, welche jetzt den Gang des Krieges von Tag zu Tag begleitet und eine stete Fühlung zwischen den kämpfenden Heeren und ihrem Hinterland herstellt, war früheren Zeiten fremd, aber es fehlt nicht an weit zurückreichenden Zeugnissen dafür, daß die Heeresleitung, zumal wenn sie in den Händen des krieg- führenden Fürsten lag, Wert darauf legte, ihrer Mitwelt sofort Nachricht zu geben, sobald ein entscheidender Erfolg erreicht war. Infolge dessen kann auch die Kriegsgeschichte des Mittelalters vielfach von amtlichen Kriegsberichten Ge- brauch machen, die den Generalstabsberichten von heute zu vergleichen sind. Daß solche den Krieg beleuchtende Briefe in jenen Jahrhunderten nur bei besonderen Gelegenheiten versendet und in der Regel an einen eng beschränkten Kreis befreundeter oder irgendwie zu beeinflussender Fürsten oder Städte gerichtet wurden, wirkt nicht bloß auf die Form, sondern auch auf den Inhalt und bedingt große Unterschiede gegenüber den an die breiteste Öffentlichkeit sich wenden- den Tageskundgebungen der Gegenwart. Aber die innere Verwandtschaft bleibt unverkennbar. Hier wie dort fällt diesen Quellen eine bedeutende Rolle sowohl in der Ver- wertung der kriegerischen Erfolge als auch in dem Aufbau der geschichtlichen Vorstellungen zu. Sie üben Einfluß auf die Fassung nachfolgender Darstellungen und auch wo das nicht der Fall ist, können sie für die Beurteilung der unab- hängig von ihnen entstandenen Schilderungen nützlich wer- den. Deshalb dürfte es auch hier am Platze sein, nach dem Vorhandensein amtlicher Berichte über die Schlacht bei Mühldorf zu fragen, ehe wir auf die erzählenden Quellen
244 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
im engeren Sinn eingehen, welche das eigentliche Feld dieser Arbeit bilden sollen.
Von Ludwig dem Bayern sind uns zwei Briefe übereinstimmenden Wortlautes erhalten, die er fünf Tage nach der Schlacht, Sonntag, den 3. Oktober 1322, von Kegens- burg aus nach Venedig und Mailand sandte, beide nur ab- schriftlich überliefert, aber sich gegenseitig durch die voll- kommene Ähnlichkeit stützend.^ Sie melden in ganz kurzen Worten den Sieg, nennen zugleich den Überbringer der Siegesbotschaft, Heinrich Vreymanner, und bezeichnen die gemeinsame Freude als den Zweck der Benachrichtigung. Was an diesen Briefen auffällt, ist vor allem die Knappheit ihrer Fassung; sie geben zwar den Tag der Schlacht an, aber nicht ihren Ort, sagen nichts von Ludwigs Helfern, nichts von der Stärke der Heere, ja sie verschweigen selbst den Haupterfolg des Kampfes, die Gefangennahme des Gegenkönigs samt seinem Bruder und einem großen Teil seiner Ritterschaft. Diese Enthaltsamkeit steht mit den meisten Beispielen mittelalterlicher Siegesberichte in auf- fallendem Gegensatz. Man braucht nicht an die ausführ- lichen Schilderungen zu denken, in denen Friedrich TL die Schlacht von Cortenuova,^ Karl von Anjou seine Siege über Manfred und Konradin,^ Eudolf von Habsburg die Entscheidung seines Kampfes gegen Ottokar ^ der Welt ver- kündeten. Auch über weiter zurück liegende Kriegsereig- nisse sind briefliche Nachrichten mit mannigfachen Einzel- angaben auf uns gekommen; man vergleiche, was Fried- rich I. dem Patriarchen von Aquileja über die Schlacht von Carcano und mehreren Empfängern über die Unter- werfung von Mailand schrieb,^ oder man stelle den an Kaiser
1 Mon. Germ. Leg. IV, 5, 539, Nr 676, wo auch die älteren Drucke verzeichnet sind, und darnach unten im A n h a n g I. Die irrige Aul- lösung der Festdatierung dominico die post Michaelein durch Winkel- mann, Acta imperii 2, 300, Nr. 478 wirkte bei Chroust, Die Eomfahrt Ludwigs des Bayern, S. 35, nach.
2 Böhmer-Ficker, Kegesta imperii V, Nr. 2290—2293; vgl. 2294, 2295.
3 Ebenda Nr. 14285, 14287 und 14392, 14393.
* Böhmer-Redlich, Kegesta imperii VI, Nr. 994—998.
" Mon. Germ. Leg. IV, 1, 274, Nr. 196; 279 fF., Nr. 203, 204.
I. Gleichzeitige Nachrichten. 245
Manuel gerichteten Brief den jngendlielien Staufers Hein- rich über seinen im Februar 1150 gegen Weif errungenen Sieg ^ und Karls des Großen Bericht über den Awaren- feldzug hierlier, der als ein Brief an seine Gattin Fastrada in die fränkische Heimat ging;^ über alle diese Vorgänge erfahren wir brieflich weit Genaueres, als über die Mühl- dorf er Schlacht aus dem Schreiben Ludwigs zu entnehmen ist.^ Und dasselbe gilt von einzelnen Kriegsunternehmun- gen Friedrichs des Schönen.'^ Verständlich wird jene Wort- kargheit nur unter der \^)rau&setzung, daß der Überbringer befugt und beauftragt war, mündlich zu ergänzen, was hier fehlte und den Anteil der Empfänger Avecken konnte.
Unter solchen Umständen schmilzt der Wert der beiden Briefe sehr zusammen, sie bieten nichts für die unmittel- bare Erkenntnis der Schlacht und geben kaum einen An- haltspunkt, der für die Kritik der chronistischen Berichte zu brauchen wäre. Auch der Name des Boten führt nicht viel weiter. Es ist zwar bezeugt, daß König Ludwig dem- selben Manne im Februar 1325 für 275 Pfund Münchner Pfennige eine Steuer verpfändete; aber auch in dieser Ur- kunde ^ wird dem Heinrich Freymann (oder Freymanner) keinerlei Titel beigelegt und es wird nichts über die Dienste gesagt, die ihm auf solche Art belohnt wurden und unter denen wahrscheinlich die Bestellung der Siegesbotschaft in- begriffen war. Wir haben jedenfalls einen Weltlichen vor uns und dürfen annehmen, daß er mit italienischen Verhält- nissen etwa durch früher im Süden geleistete Kriegsdienste
1 Jaffß, Bibliotheca 1, 366, Nr. 244.
- Jaflfe, Bibliotheca 4, 349, Nr. 6; Mon. Germ. Ep. 4, 528 und Leg.
y, 510.
^ Von ähnlicher Kürze sind Friedrichs I. Berichte über die Einnahme von Crema, Mon. Germ. Leg. IV, 1, 271 f., Nr. 192, 193.
* Das Zusammentreffen der Gegenkönige vor Speyer im März 1315 wird am 9. April in einem Briefe des Kölner Erzbischofs an den König von Aragonien geschildert und Friedrich selbst berichtet der Stadt Wien im Oktober 1317 ganz anschaulich über seine im Bunde mit dem ungarischen König unternommene Belagerung von Komorn. Mon. Germ. Leg. IV, 5, 217, Nr. 254 und 380, Nr. 465.
* Böhmer, Reg. Ludwigs Nr. 792 nach dem bei Oefele, SS. rer. Boica- rum 1, 750 gebotenen Abdruck des Eegistereintrages.
Archiv. 105. Band. H. Hälfte 17
246 Die Berichte Über die yehlaeht bei Mühldorf.
vertraut war. Die Vereinigung der Aufträge für Venedig und Mailand in einer Hand kann nicht befremden, wenn sie auch für den einen der zwei Empfänger eine Verzöge- rung von drei bis vier Tagen zur Folge haben mußte; aber sie legt den Gedanken nahe, daß Ludwigs Bot^ die Sieges- nachricht nicht bloß nach diesen zwei Stellen, sondern auch an andere italienische Machthaber zu bestellen gehabt habe. Treviso und Padua, Verona und Mantua waren für Hein- rich Vreymanner kaum zu umgehen, noch weniger das kärnt- nisch-tirolische Herrschaftsgebiet. Gerade in , den letzten Jahren hatte die österreichische Partei in Italien starke Fortschritte gemacht, Herzog Heinrich von Österreich und Ulrich von Wallsee hatten persönlich im Süden gewirkt, ihnen und den österreichischen Gesandten, die noch im Sep- tember 1322 in Vercelli tätig waren, gelang es, mannigfache Beziehungen in der Lombardei und darüber hinaus anzu- knüpfen.^ Mag nun Ludwig bei dem eben zur Herrschaft gelangten Galeazzo Viseonti und bei den Venezianern etwa mehr als anderswo auf wahre Anteilnahme an seinen Er- folgen gerechnet haben, so forderte es doch die politische Klugheit und der Vorteil des Reiches, jetzt von den inner- halb der gibellini sehen Partei bestehenden Gegensätzen ab- zusehen und durch den Eindruck des erfochtenen Sieges in Italien nicht bloß die alten Anhänger zu befestigen, sondern auch neue zu gewinnen. Darum ist es wahrscheinlich, daß Vreymanners Botschaft weiter gegangen sein wird, als es die beiden Briefe unmittelbar bezeugen. Wahrscheinlich haben zugleich auch Heinrich von Kärnten und Cangrande della Scala, vielleicht auch Passarino von Mantua und die Markgrafen von Este ähnlich lautende Schreiben Ludwigs er- halten, ja es besteht kaum ein Hindernis gegen die Annahme, daß Vreymanner auch beauftragt war, die Städte Treviso und Pisa sowie andere Reichstreue in Toskana von Ludwigs Sieg zu benachrichtigen.
Spuren einer so weiten Verbreitung des überlieferten Wortlauts lassen sich in Italien allerdings nicht nachweisen.
* Vgl. Chroust, Die Romfahrt Ludwigs des Bayers 16 fiF. Das Akten- material liegt jetzt in Hon. Germ. Leg. IV, 5 gesammelt vor.
]. f;ioi(;li/(!il,igo Nachrichten. 24 i
Der Inhalt der Briefe war, wenn sie mit den beiden erhalte- nen übereinstimmten, so ärmlich, daß ihre etwaige Benützung in italienischen Chroniken nicht wahrgenommen werden könnte. Aber es gibt ein Zeugnis dafür, daß Ludwig ein ganz ähnliches Schreiben auch nach Avignon geschickt haben muß. Der Papst antwortet ihm darauf am 18. Dezember in ziemlich zurückhaltender Form,^ jedoch sichtlich befriedigt über die fromme Auffassung des Sieges, welche Ludwig schriftlich bekundet hatte, und über die milde Behandlung, die er nach den Worten des Überbringers seinem Gefangenen zuteil werden ließ. Das stimmt gut zu den aus Mailand und Venedig uns überlieferten Briefen, welche, mit den Worten des Psalmisten beginnend und an das ,Magnificat^ Mariens anklingend, den Sieg als eine göttliche Gnade hin- stellen und mit keinem Worte der menschlichen Kräfte ge- denken, die dabei mitgewirkt hatten. Ob diese Darstellungs- weise der Stimmung, die den Sieger damals beherrschte, ent- sprach, kann niemand sagen, jedenfalls waren solche Worte gerade in einem Schreiben an die Kurie sehr am Platz und die Antwort des Papstes läßt daher vermuten, daß er so ziemlich den gleichen Wortlaut erhalten haben dürfte wie Galeazzo und der Doge von Venedig.^ Man muß freilich dahingestellt sein lassen, ob auch in Avignon jener Vrey- manner den Überbringer zu spielen und die mündlichen Mit- teilungen beizufügen hatte, die sich in diesem Falle, wie die Antwort zeigt, besonders auf das Schicksal des Gefange-
i-Mon. Germ. Leg. IV, 5, 557, Nr. 711.
2 Zu der von Preger in den Abhandlungen der hist. Klasse der kgl. bayrischen Akademie der Wissenschaften 17, 3, 1886, 550 angedeute- ten und auch von Chroust, Rorafahrt S. 35 und Besser, Ludwig der Bayer und Friedrich von Österreich (Progr. Altenburg 1890), S. 3 wiederholten Annahme, daß Ludwig in jenem verlorenen Briefe zu- gleich auch das Ersuchen um Bestätigung seiner Wahl erneuert hätte, geben die Schlußworte der Antwort keinen ganz ausreichenden Anlaß. Der Papst konnte auf seine schon unterwegs befindliche Erledigung des früher von Ludwig gestellten Antrages verweisen, obwohl Ludwig in dem verlorenen Briefe nicht neuerlich davon gesprochen hatte. Aber auch wenn der verlorene Brief das Ansuchen erneuerte, so ist gut denkbar, daß das nur in einer kurzen Schlußbemerkung geschah, die an den nach Venedig und Mailand gehenden Wortlaut angefügt war.
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248 Die Berichte über die Schhu-ht bei Mülildorf.
neu bezogen/ das mh der Kurie vielleicht noch mehr als in Italien mit Aufmerksamkeit beachtet wurde.
Es ist indes wahrscheinlich, daß man in Avignon am 18. Dezember, als die Antwort an Ludwig abging, auch schon von anderer Seite her über die Entscheidungsschlacht unter- richtet war. Aus einer ganzen Reihe von Schriftstücken, welche König Jakob IL von Aragonien, Friedrichs Schwie- gervater, am 21. Dezember 1322 von Tarragona nach ver- schiedenen Eichtungen ausgehen ließ,^ ist zu ersehen, daß ihm damals schon Briefe seines gefangenen Schwiegersohnes und seiner an ihn vermählten Tochter Elisabeth vorlagen, in welchen ihm der unglückliche Ausgang des Kampfes mit- geteilt wurde und die Bitte um seine Hilfe ausgesprochen war. Als Überbringer dieser Briefe wird ein geistlicher Mann aus der Umgebung der Königin Elisabeth, der schon seit zehn Jahren wiederholt Aufträge Friedrichs am arago- nesischen Hof ausgeführt hatte und nun der Kammermeister Elisabeths geworden war, der Friesacher Kanonikus Fried- rich von Glojach genannt.^ Schon dieser Umstand läßt ver- muten, daß die Botschaft Friedrichs nicht auf dem geraden Wege von Eegensburg oder von der Trausnitz nach Spanien gegangen ist, sondern daß dem gefangenen König zunächst nur Gelegenheit geboten war, an seine Gemahlin Briefe zu senden und daß diese die Weiterbeförderung an König Jakob einleitete, ^ur so ist auch erklärlich, daß Jakob auf Briefe beider Ehegatten zugleich und ganz übereinstimmend ant-
^ Da Ludwig die Siegesmeldung an den Papst nicht gut später ab- senden konnte als die nach Italien, so können die mündlichen Mit- teilungen des Überbringers eigentlich nur von der Gefangennalime und von seiner Behandlung in den ersten vier Tagen der Gefangen- schaft gehandelt haben, aber der Bote wird nicht versäumt haben, in dieser Hinsicht für die Zukunft das Beste vorauszusagen.
2 v. Zeißberg hat die ganze Reihe dieser Briefe in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse 140, I, 72 ff., Nr. 72 bis 77 veröffentlicht; zum Teile sind sie darnach abgedruckt Mon. Germ. Leg. IV, 5, 558 ff., Nr. 712 — 715. Vgl. auch Finke, Acta Arag. 1, 378, Nr. 255.
^ Vgl. über ihn Zeißberg a. a. O. S. 88, Finke, Acta Arag. 1, 363 /u Nr. 243 und Lang, Acta Salzburgo-Aquilejensia 1, Nr. 16, 38, 53 und 123 a.
I. Gleichzeitige Nachricht-en, 249
wortete.^ Elisabeth wird aber durch Mitgabe eine» besonde- ren Schreibens an ihren Vater die Bitte ihres Mannes unter- stützt haben. Auf welchem Wege Friedrich von Glojach von Österreich nach Spanien gelangte, ist unbekannt, aber es ist denkbar, daß er über Avignon reiste und dort, wenn auch zunächst mit geringem Erfolge, für seine Herrin zu wirken trachtete.^ Immerhin kann eine Nachricht von seinen Schrit- ten schon um die Mitte des Dezember in Avignon vorgelegen und sie könnte daher auch mit dazu beigetragen haben, daß Johann X'XII. in seinem Schreiben vom 18. dieses Monats so warm für milde Behandlung des Gefangenen ein- trat und sich zur Vermittlung zwischen beiden Gegnern antrug.
Aus diesen diplomatischen Vorgängen, die hier nicht weiter verfolgt zu werden brauchen, ergibt sich also, daß nicht bloß der Sieger, sondern auch der Besiegte nach der Schlacht Briefe über den Ausgang versandte. Friedrich war dabei gewiß auf enge Grenzen beschränkt, Ludwig aber
^ In den Schreiben Jakobs II. au König Friedrich, Vital von Villanova und Herzog Leopold (Zeißberg a. a. 0. Nr. 72, 76 und 77) ist aller- dings nur von der brieflichen Anzeige des Unglückes durch Friedrich die Rede; aber das an Elisabeth gerichtete Schreiben (a. a. O. Nr. 73) ergibt, wenn mau nicht an ganz mechanische Schreibarbeit denken will, mit Bestimmtheit, daß auch sie selbst an ihren Vater geschrieben haben muß, und das ist ja von vornherein auch wahrscheinlich. Durch den Umweg über Österreich, den Friedrichs Botschaft an seinen Schwiegervater nehmen mußte, wird auch der lange Zeitraum, der zwischen der Schlacht und dem erstien darauf bezugnehmenden Schrei- ben Jakobs II. liegt, verständlich; ich glaube nicht, daß der ge- fangene Habsburger mit seiner Mitteilung gezögert hätte, wie neue- stens Johanna Sehrader, Isabella von Aragonien (Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 58, 1915), S. 71 annahm, denke vielmehr, daß Friedrich die erste Erlaubnis zur Abaendung von Briefen benützt haben wird, um seiner Gemahlin und durch diese ihrem Vater Nachricht zu geben.
2 Daß Friedrich von Glojach vor dem 21. Dezember noch nicht in Avignon vorgelassen worden war, zeigt allerdings die Art, wie König Jakob nun seinem Bevollmächtigten, Vital von Villanova, auftrug, sich für seine Einführung und Zulassung zu verwenden (Zeißberg Nr. 76; vgl. auch die übrigen Briefe); aber dadurch wird die Mög- lichkeit, daß er doch solion auf der Hinreise Avignon berührte, nicht ausgeschlossen.
250 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
wird wohl nicht bloß jene Mitteilungen in südlicher Richtung verschickt haben, von denen oben die Rede war, sondern er wird auch nach dem Westen und Norden des Reiches Kunde von seinem Sieg gegeben haben. Aber die beiden oben er- wähnten spärlichen Beispiele aller dieser Briefe, die erhalten blieben, machen es zweifelhaft, ob wir den Verlust der übri- gen allzu sehr zu beklagen haben. Ludwigs Beziehungen würden sich aus ihnen wohl beleuchten lassen, schwerlich aber die kriegerischen Vorgänge selbst. Der Anteil an der weiteren Gestaltung und Verwertung des unerwarteten Er- folges war vermutlich nicht bloß an der Kurie, sondern an allen politisch tätigen Stellen so stark, daß darüber die Frage nach dem tatsächlichen Verlauf des Kampfes ganz in den Hintergrund trat. So konnte es geschehen, daß unverant- wortliche Kreise, die nur aus menschlichem Anteil an dem Umschwung des Glückes oder getrieben von der alten Über- lieferung geschichtlicher Aufzeichnungen die Feder führten, früher dazu kamen, über den Hergang der Schlacht zu schreiben als diejenigen, die darüber am besten unterrichtet sein mußten. Berichte von Außenstehenden haben von vorn- herein geringeren Wert als die der Teilnehmer, in Ermang- lung des Besseren müssen aber auch sie gesammelt und nach ihrem Werte geschätzt werden. Indem wir uns dieser Auf- gabe zuwenden, sollen zunächst diejenigen Aufzeichnungen der Nachbarländer, also bayrische, böhmische und österreichi- sche Quellen zur Sprache kommen, die wegen ihrer Über- lieferung oder aus anderen Gründen als Erzeugnisse der un- mittelbar auf das Ereignis folgenden Zeit anzusehen sind. Als eine der ältesten Aufzeichnungen über die Schlacht bei Mühldorf ist eine Stelle der Mattseer Annalen anzusehen. Sie gehört noch zu denjenigen Teilen des Gold- schen Annalenwerkes, welche auf Grund von auswärtigen Quellen zusammengestellt sind,-^ und sie zeichnet sich unter
1 Mon. Germ. SS. 9, 828 und darnach unten im Anhang II; über die Entstehungsweise vgl. Neues Archiv 22, 1897, 480 fF.; meinen dort geführten Beweis übersehend, redete Bachmann noch in den For- schungen zur Geschichte Bayerns 14, 1906, 247 von der ,bayern- freundlichen Gesinnung des Mönches von Mattsee*, während der be- treffende Abschnitt gar nicht in Mattsee verfaßt ist, das übrigens
I. Gleichzeitige Nachrichten. 251
den verschiedenen Jahreseinträgen, die dort der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gewidmet wurden, durch ziemliche Ausführlichkeit sowie durch eine eigentümliche Fassung aus. Die auf 1322 bezügliche Stelle beginnt, was sonst bei den einzelnen Absätzen dieser Annalen nicht der Fall ist, mit dem Namen des Heilands. Um die unerhörten und staunens- werten Werke, die der Herr im Vaterland vollbracht habe, von Geschlecht zu Geschlecht in ewiger Erinnerung festzu- halten, so lauten die Worte des Annalisten, will er es wagen, sie nach seinem Vermögen auf dieses Blatt niederzuschreiben. Dieser Eingang, der einigermaßen an Arenga und Publi- katio der Urkunden erinnert, und besonders seine letzten Worte (hac carta suhscribere) könnten die Vermutung nahe- legen, daß uns hier der Wortlaut eines Briefes oder Flug- blattes, das die Siegesnachricht zu verbreiten bestimmt war, erhalten geblieben sei. Deutlich genug hebt sich auch der Schluß dieses Schlachtberichtes von den weiteren Eintragun- gen des Annalisten ab ; er ist gleich dem Eingang mit Eeimen geschmückt, malt in dichterischer Art den Eindruck, welchen diese Kunde in Bayern, Österreich, Steier und Schwaben hervorrufe, und schließt mit frommem Hinweis auf die Für- sehung Gottes. Innerhalb dieses Eahmens sind die Ereig- nisse von Friedrichs Eintreffen in Passau bis zum Ausgang des Kampfes und der Abführung der Gefangenen erzählt; wohin diese gebracht wurden, gibt der Verfasser nicht an, er spricht nur von sicheren Orten, wo für ihre ununter- brochene Bewachung gesorgt werden solle, und zwar in dem Sinne einer noch nicht erledigten Sache {uhi . . . habeatur custodia). Alle diese Anzeichen sprechen dafür, daß wir es mit einem unter dem ersten Eindruck der Schlacht, etwa um den 1. Oktober 1322 geschriebenen Bericht zu tun haben, der bei dem Vorspiel länger verweilt als bei der Kampf - handlung selbst und der über den Vorgang bei der Gefangen- damais längst keine Mönche mehr, sondern weltliche Chorherren be- herbergte. Auch die Bemerkung von Bachmann, S. 248, daß dieser Bericht für die Schlacht, von der Anmarschlinie abgesehen, ,nahezu nichts Selbständiges' biete, ist geeignet, unrichtige Vorstellungen von seiner Entstehung hervorzurufen; selbständig, d. h. von den übrigen erhaltenen Quellen unabhängig ist dieser Bericht in allen Teilen, auch dort, wo er sachlich mit anderen Chroniken übereinstimmt.
252 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
nähme Friedrichs einen wohl von bayrischer Seite weiter- gegebenen, mit anderen Berichten aber unvereinbaren Zug enthält, indem er von Ergreifung auf der Flucht redet; bei seiner Niederschrift konnte man wohl voraussehen, welche Stimmung nun in den beteiligten Ländern eintreten müsse, aber man war noch nicht genauer über das Schicksal der Gefangenen unterrichtet.
Als ein eigentlicher Siegesbericht von bayrischer Seite kann aber unsere Stelle doch nicht angesehen werden. Schon die im Verhältnis zu der Länge des Ganzen auffallende Breite, mit welcher der Autor bei dem Anmarsch des öster- reichischen Heeres verweilt, führt zu der Überzeugung, daß nicht König Ludwig oder einer von seinen Begleitern zu uns spricht, sondern ein Augenzeuge, der gerade den Ein- bruch seiner Gegner in Bayern genauer beobachten konnte. Eine ziemlich sichere Ortsbestimmung ermöglicht dann der stilistische Zusammenhang des Mühldorfer Schlachtberichtes mit anderen zu den Jahren 1307 bis 1335 gehörigen Stellen der Mattseer Kompilation;^ die Vorlage, deren sich der Matt- seer Kompilator hiefür bediente, muß, wenn auch jahrweise geschrieben,^ doch in der Hauptsache von einem einzigen Autor verfaßt gewesen sein, und zwar von einem Manne, den wir mit größter Wahrscheinlichkeit in dem niederbayri- schen Kloster Asbach zu suchen haben. ^ Dem Asbacher An-
1 Der Mühldorfer Bericht enthält folgende auch sonst vorkommende Wendungen: in multitudine gravi Anhang II, Zeile 6 und SS. 9, 829, Zeile 2; hahens in auxilium Anh. II, Zeile 7, 8, vgl. hahens in auxilio S. 827, Z. 45; gloriose pertransivit Anh.. II, Z. 11., pertransivit S. 824, Z. 14 und 829, Z. 2, gloriose triumphum oltinuit 825, Z. 21; in tuhi.s et tympanis Anh. II, Z. 14, in tympanis et tuhis 8. 824, Z. 12. — Außerdem ergibt sich der stilistische Zusammenhang des von 1307 bis 1335 reichenden Abschnittes aus den Übereinstimmungen: ex oposito Eni S. 824, Z. 6 und 825, Z. 5 ; ab invicem (sine certa victoria) discedunt (vecedAint) S. 825, Z. 6, 827, Z. 42, 828, Z. 33; incendiis et rapinis atrocibus S. 825, Z. 19 und 829, Z. 3; agmina congregata S. 825, Z. 19, vgl. S. 827, Z. 44 und 828, Z. 50; potenter intravit S. 827, Z. 46 und 828, Z. 52; ad hella virorum doctorum S. 827, Z. 44, vgl. S. 828, Z. 51.
* Die Belege dafür s. Neues Archiv 22, 482, Anni. 3.
* Neues Archiv 22, 482 ff. und 30, 209 f. — Bei meiner von Bachmaun in Forschungen zur Geschichte Bayerns 14, 251 gar nicht berück-
I. Gleichzeitige Nachrichten. 253
nalisten verdanken wir somit auch die Aufzeichnung über die Schlacht; er hat unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse beschrieben, was sich in den letzten September- tagen von 1322 in der Nähe seines Klosters zutrug, das von Miihldorf ungefähr 50, von der Anmarschlinie der Öster- reicher aber nur 8 km entfernt lag. Der Mattseer Kompi- lator, der einige Jahrzehnte später an der Arbeit war, hat diese Asbacher Aufzeichnung wörtlich in sein Werk über- nommen. Eine Bestätigung für die getreue Beibehaltung des ursprünglichen Wortlautes bietet der Umstand, daß er eine andere, unten noch näher zu berührende Beschreibung der Mühldorfer Schlacht, die ihm zur Verfügung gestanden hätte,^ nicht benützt hat, obwohl sie ihm manche in der Asbacher Quelle fehlende Einzelheit geboten haben würde.^
sichtigten Bemerkung über Friedrichs Anmarsch habe ich allerdings unerwähnt gelassen, daß nach der zweiten und dritten Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik (Anh. XII, Z. 4 und XIII, Z. 3) Fried- rich vor der Schlacht bei Mühldorf über den Fluß gegangen sein soll. Auch wenn das richtig sein sollte (über den Wert der Quellen ,s. unten) , scheint mir doch sicher, daß das österreichische Heer den größten Teil des Marsches von Pasaau her (bis über die Salzachmüudung hinaus) am linken Innufer zurückgelegt hat. Aber es ist recht gut möglich, daß die Nachricht von dem Durchzug durch Mühldorf überhaupt für 1322 nicht zutrifft und nur eine Verwechslung mit den Ereignissen von 1319 zu dieser Nachricht der bayrischen Fortsetzungen An- laß gab. Nähere Ausführung muß dem Teile meiner Arbeit vor- behalten bleiben, der den geographischen Fragen gewidmet ist.
* Es ist die von 1288 bis 1330 reichende Fortsetzung der Chronica minor, welche Wattenbach im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen 14, 11 ff, und besser Holder-Egger in den Scriptores rerum Germ., Mon. Erphesfurtensia S, 693 ff. herausgab. Vgl. dazu auch, was ich im Neuen Archiv 22, 448 ff. berichtet habe, und unten zu Anhang XXXIX,
2 Die beiden Darstellungen (vgl. Anh. IT und XXXIX) berühren sich zwar an mehreren Punkten; beide wissen von der Teilnahme der Bischöfe von Salzburg und Passau, beide von einem Verweilen des österreichischen Heeres bei Mühldorf und von einem dabei bekundeten festlichen Gepränge (Anh, II, Z. 14, 15: divertit prope civ. Muldorf, in tuhis et tympanis iocmidissimus, manens ihi per diem; XXXIX, Z. 6, 7 : cuiii magna pompa et strepitu in campis apparuit et circa civ. M. cum exercifn moram fecit) ; nach beiden soll ein Tal oder Wasserlauf zuerst die Heere getrennt haben (Anh. II, Z. 18: val- lisque modicus erat inter utrotsque; XXXIX, Z, 13 — 15: fluinine
254 Die Bericht« über die Schlacht bei Mühldorf.
Sowie die bisher besprochene Stelle der Mattseer Kom- pilation nur auf Grund innerer Merkmale als eine unmittel- bar nach dem Ereignis erfolgte Auf Schreibung zu erkennen ist, so bleiben wir auch bei den meisten anderen Quellen in dem Streben genauer Zeitbestimmung auf Inhalt und Fas- sung angewiesen. Der Fall, daß die Jahr für Jahr besorgte Weiterführung der Annalen sich an der Hand eines Originals auch paläographisch beobachten läßt, daß also mit Hilfe äußerer Kennzeichen die Gleichzeitigkeit dargetan werden kann, dieser Fall trifft nur bei sehr wenigen auf unseren Gegenstand bezüglichen Nachrichten zu, und fast nur bei solchen von ärmlichem Inhalt. Von bayrischer Seite gehört hierher eine Eeihe geschichtlicher Bemerkungen, die in dem Kloster W i n d b e r g bei Straubing von verschiedenen Hän- den des 14. Jahrhunderts ungeordnet in ein Martyrologium eingeschrieben wurden,^ von österreichischer Seite der be- rührate Kodex der Melker Annalen, in welchem vom
medianie talitcr, quod . . . proptcr flumen . . . Fridericiim accedcrc non valehani). Aber auch hier fehlt es an den wörtlichen Anklängen, welche im Falle der Benützung kaum ausgeblieben wären, und da der Mattster Chronist eine ganze Reihe von Umständen, von welchen die Chronica-minor-Fortsetzung redet (das erwartete Anrücken Leo- polds, die Auffindung der Furt durch König Johann, die Kreaz- predig;t auf Ludwigs Seite), gar nicht kennt, die Art der Gefangen- nahme der Habsburger kürzer und doch in gänzlich verschiedener Weise erzählt und sichtlich nichts davon weiß, wohin die Gefangenen gebracht wurden, so muß angenommen werden, daß Gold für 1322 von jener Fortsetzung gar keinen Gebrauch machte. 1 Mon. Germ. SS. 17, 565 aus dem Windberger und jüngeren Einträgen eines Niederaltaicher Kodex, unten Anh. III; vorher schon Mon. Boica 14, 108 ff.; Böhmer, Fontes 3, 524 f. Wahrscheinlich abgeleitet aus der Windberger Quelle ist der auf die Schlacht bezügliche Eintrag in dem Clm. 14594 der Fundationes monasteriorum Bavariae (vgl. Leidinger im Neuen Archiv 24, 674 ff.) , den Gewold in der bei Oefele, SS. rer. Boic. 2, 331 bis 344 gedruckten Corapilatio chronologica wiedergab. Die Ortsangabe lautet allerdings anders als in dem Wind- berger Kodex, aber auch der Niederaltaicher Kodex (Vind. 413) weicht hierin ab, so daß vielleicht an nachträgliche Ausfüllung einer hierfür gelassenen Lücke zu denken ist. Steht der Eintrag in Clm. 14594 auf f. 55, so kommt er überdies in enge Berührung mit anderen Straubinger (oder Windberger) Aufzeichnungen auf f. 55 derselben Handschrift. Vgl. Leidinger im Neuen Arcliiv 24, 094 und in Quellen und Erörterungen, N. F. 1, LVIII f.
I. Gleichzeitige Nachrichten. ^00
12. bis ins 16. Jahrhundert fortwährend wexjhselnde Hände die Ereignisse ihrer Zeit eintrugen ;^ beide enthalten zu 1322 Notizen über den Kampf, der hier wie dort als auf oder bei dem pratuni Emphing erfolgt bezeichnet wird. Da sie auch inhaltlich nichts, was gegen volle Gleichzeitigkeit spre- chen würde, aufweisen, so ist anzunehmen, daß hier wirklich gegen Ende des Jahres 1322 gemachte Eintragungen in ihrer ursprünglichen Gestalt vorliegen. Etwas später, wohl erst im Jahr 1325, hat der Pfarrer Albert von W a 1 d k i r c h e n in jener Florianer Handschrift, die er im eigenen Besitz hatte und zu mancherlei historischen Zwecken benützte, mit knappen Worten, ohne Erwähnung des Ortes und des Kamp- fes, die Tatsache und den Tag der Gefangennahme König Friedrichs eingetragen. ^ Als gleichzeitig kann vielleicht die in S t e i e r m a) r k in eine Handschrift des Honorius von x\utun eingetragene Nachricht angesehen werden,'^ welche sich enge mit den Worten berührt, auf die der Pfarrer von Waldkirchen sich ursprünglich beschränkt hatte.
Das sind spärliche Vermerke, aber gerade ihre Dürftig- keit ist für unsere Betrachtung nicht ohne Wert, sie läßt vermuten, daß die Kunde von der Schlacht nach Österreich überhaupt nicht sehr reichlich geflossen sein dürfte, und sie macht es wahrscheinlich, daß man an anderen österreichi- schen Orten im ersten Augenblick auch nicht mehr er-
1 Mon. Germ. SS. 9, 511, unten Anh. IV; mehrere Seiten dieser Annalen, aber nicht die hier in Betracht kommende, abgebildet bei Chroust, Monumenta palaeographica II, 13, Taf. 5. 6, 8, 10 und 14 Taf. 1; nach Wattenbach, SS. 9, 511, Anm. c, ist die Schrift der Notiz zu 1322 von dem vorausgehenden und von dem folgenden Eintrag verschieden.
" Mon. Germ. SS. 9, 754, A. d. 1322 — a Baharo; der Zusatz über die Dauer der Gefangenhaltung Friedrichs und über seinen Tod ist, wie schon Wattenbachs Anmerkung (S. 754 b) anzeigt, später bei- gefügt worden. Aber auch der erste Eintrag entstand wohl nicht vor 1325, vgl. Anh. V, es sei denn, daß er von Albert zuerst anderwärts vermerkt und dann in die erhaltene Handschrift übertragen wurde.
» Mon. Germ. SS. 24, 64, unten Anh. VI. Die steirische Herkunft der betreffenden Notizen, welche Waitz richtig mit dem Titel .Continuatio Stirensis' ausdrückte, verrät sich durch Berücksiclitigung von Er- eignissen zu Graz (1265) und Judenburg (1268) sowie durch die Anführunij der Steirer neben den Österreichern zu 1313.
256 Die Berichte über die Schlacht hei Mühldorf.
fahren oder doch nicht mehr der Aufzeichnung für wert gehalten habe als in Melk und Waldkirchen. Da die Hauy)t- masse des Heeres in Gefangenschaft gefallen war, mag die Verbindung der österreichischen Kämpfer mit ihrer Heimat zunächst sehr beschränkt gewesen sein.^ Etwas glinstiger stand es in dem Lande des mächtigsten Bundesgenossen Friedrichs, im Erzstift Salzburg. Sowie drei Jahre vorher, so hatte Erzbischof Friedrich auch im September 1322 den Österreichern bedeutende Hilfskräfte zugeführt und noch un- mittelbar vor dem feindlichen Zusammenstoß an eine Eeihe der mitgebrachten Kämpfer die Ritterwürde verliehen.^ Das salzburgische Heer nahm an der Schlacht teil und erlitt das gleiche Schicksal wie jenes von Österreich, es geriet gänzlich in Gefangenschaft. Aber der Erzbischof selbst hatte sich an dem Kampfe nicht beteiligt, sondern im Augenblick des Zusammenstoßes auf Rat König Friedrichs samt den anderen anwesenden Kirchenfürsten die Stadt Mühldorf auf- gesucht, verweilte dort einige Zeit und trat, als ihm der Ausgang bekannt geworden, die Heimreise an, die er vom Feinde unbehelligt ausführen konnte. So dürfte man, da die Entfernung von Mühldorf bis Salzburg (Luftlinie 60 km) in ein bis zwei Tagen zurückzulegen war, schon am 30. Sep- tember oder doch in den ersten Oktobertagen in Salzburg Nachricht über den unglücklichen Ausgang des Feldzuges gehabt haben ; Erzbischof Friedrich und seine Begleiter wer- den nicht gezögert haben, ihre Erlebnisse dem Salzburger Klerus mitzuteilen, und unter diesem fand sich der Mann, der dieselben den dort geführten Annalen einverleibte. So muß der auf Mühldorf bezügliche Eintrag in der als C o n- tinuatio canonicorum s. Rudberti Salis- burgensis bezeichneten Fortsetzung der Salzburger Annalen entstanden sein.^ Die gleichzeitige Entstehung
^ Daß es dem gefangenen Könige bald gestattet wurde oder gelang, Briefe an seine Frau zu senden (vgl. oben S. 248 f.), beweist noch nichts gegen die Unterbrechung sonstiger Verbindungen.
2 Vgl. das von Hauthaler in den Mitteilungen der Gesellschaft für Salz- burger Landeskunde 19, 162 fT. besprochene Ritterverzeichnis, über das an späterer Stelle zu handeln sein wird.
3 Mon. Germ. SS. 9, 822 f.; Anh. VII.
1. Glmch zeitige NaclirichUM.. 257
der hier vereinigten NmcIi richten ist allerdings in Ermang- lung der ersten Handschrift nicht mehr sichtbar wahrzu- nehmen, aber nach dem Charakter des Clanzen, der Auf- einanderfolge inhaltlich unzusammen hängender ISTachrichten und den zahlreichen Tages- und Monatsdaten zu vermuten.^ Jedenfalls trägt die zu 1322 gehörige Stelle alle Eigentüm- lichkeiten, die wir von einer gleich nach der Heimkehr des Erzbischofs in Salzburg entstandenen Auf Schreibung zu er- warten haben. Man wußte, als sie entstand, nur das, was der Erzbischof selbst wissen und erzählen konnte: die Vor- gänge, die der Schlacht vorausgegangen waren, Zeit und Ort des Kampfes, dann die ungefähre Zahl der Gefallenen und die Tatsache der Gefangennahme des verbündeten Heeres; die Niachricht hievon muß den in Mühldorf des Ausganges harrenden Kirchenfürsten durch Flüchtende oder Späher ge- bracht worden sein. In welcher Weise der Kampf verlief, wie die Gefangennahme geschah, wohin die Gefangenen ge- bracht wurden, wußte man nicht. Ausdrücklich meldet der Annalist zum Schluß die glückliche Heimkehr der Bischöfe; die beigefügten Verse, welche unter Berufung auf deren Aus- sage die Zahl der Gefangenen mit 1160 angeben,^ verraten dann wohl etwas wärmere Teilnahme für das Schicksal der
^ Wenn zu Ende 1309 schon der Dreikönigstag von 1310 erwähnt ist, so erweist das nur eine ganz geringe Verzögerung der Eintragungen. Stärkeres Übergreifen auf jüngere Ereignisse zeigt der Bericht zu 1310, wo schon auf die Mailänder Kämpfe von Mitte Februar 1311 Bezug genommen wird; ebenso der zu 1311, welcher das im Sommer 1312 erfolgte Ende des Konzils von Vienne voraussetzt. Daß das salzburgisch-österreichische Bündnis, welches nach den Urkunden, Böhmer, Regesten Friedrichs des Schönen, 126 — 129, am 5. Dezember 1318 geschlossen ist, zu ,1317 vel 18' gesetzt ist, wird wohl auf einem überlieferungsfehler beruhen; hier gibt es überdies einen sachlichen, vielleicht auch durch das Abschreiben verursachten Fehler, indem nicht bloß Rudolf, sondern auch dessen Bruder Ludwig, der Gegen- könig selbsl, fälschlich als im Bündnis ausgenommen bezeichnet Avird. Auch das zu 1320 und 1321 eingetragene nulluni factum signatum invem deutet auf eine Umgestaltung der Vorlage.
2 Im 10. Vers ist der Beistrich von Wattenbach irrig vor anstatt hinter die Zahl gesetzt worden, während bei richtiger Interpunktion, Anh. VII, Z. 32 als Subjekt zu dicunt wohl die drei Bischöfe anzunehmen sind.
258 Die Bericlito über die Schlacht bei Mühldorf.
unterlegenen Kämpfer, aber keinerlei nähere Kenntnis von ihren Taten und dem, Ort ihres Gewahrsams. Man schrieb also in Salzburg unt^r dem ersten Eindruck der Heimkehr des Erzbischofs, ehe irgendwelche andere Kunde eintraf.-^ Die Niederlage selbst mußte die Erlangung weiterer Nach- richten für Salzburg in ähnlicher Weise verhindern, wie das für Österreich von allem Anfang an zutraf.
In ganz anderer Lage befand man sich in den Ländern der Sieger und vor allem in Böhmen, das vom Kampfe weder selbst betroffen noch bedroht war. Schon am 20. Tage nach der Schlacht zog König Johann siegreich in seine Hauptstadt ein, von dem Geläute der Glocken, dem Gesang der Geist- lichkeit, dem Jubel des Volkes empfangen. Da muß Gelegen- heit und auch die rechte Stimmung gewesen sein, aufzu- zeichnen und der Nachwelt aufzubewahren, was geschehen war. Solchen Umständen verdanken wir den ältesten aus- führlichen Bericht über die Schlacht bei Mühldorf, jenen der Königs aali er Chronik. Dieses an eine ältere Lebensgeschichte König Wenzels IL anknüpfende, in drei Bücher von sehr ungleicher Größe gegliederte Werk ist, so- weit es die Ereignisse seit 1306 behandelt, von dem im Jahre 1316 zum Abt von Königsaal erwählten Petrus von Zittau zustandegebracht und bis nahe an dessen Lebensende, d. i. bis zum Jahre 1337 fortgeführt worden. Die dem Werke vorangeschickte, wohl im Jahre 1316 geschriebene Widmung, in welcher Petrus auf die ihm zuteilgewordene Aufforderung des Abtes Johann von Waldsassen Bezug nimmt, und die Vor- rede zum zweiten Buch, welche im Jahre 1318 geschrieben sein dürfte, lassen erkennen, daß es die Absicht des Ver- fassers war, mit seiner Feder dem Selbsterlebten zu folgen, und daß ihm, der zuerst den Kaum nur für eine kürzere
* Im Vergleich zu dieser Feststellung kommt die von Bachmann a. a. 0, S. 247 berührte Frage, auf welche Seite sich die Gesinnung des salz- burgischen Berichterstatters geneigt habe, wenig in Betracht. Das Wort triumphavit, Anh. VII, Z. 13, das er auch zum Jahre 1313 auf Ludwig anwendet, kann kaum etwas beweisen; und auch wenn der Verfasser, im Widerspruch zur Stellung seines Fürsten, Zuneigung zu dem Sieger empfunden haben sollte, so war er im Augenblick der Niederschrift doch nur auf die Mitteilungen der heimkehrenden Kir- chenfürsten und ihrer Umgebung angewiesen.
1. Gleiclizoitige NueL richten. 259
Spanne Zeit vorgesehen liattej mit (]em. längeren Leben auch sein Werk weit über das ursprünglich in Aussicht genommene Maß hinausgewachsen ist. Diese Beobachtungen, die selb- ständige Überlieferungsweise der drei Bücher und der tage- buchartige Wechsel in der Aufeinanderfolge der verschieden- artigsten Ereignisse weisen auf allmähliche Entstehung.
Fehlt es also bei der Königsaaler Chronik nicht an An- haltspunkten, um die schrittweise den Ereignissen folgende Aufzeichnung zu erkennen, und ist seit jeher dieser tage- buchartige Charakter des Werkes im allgemeinen betont worden/ so wird es doch nicht zu umgehen sein, aus dem zweiten Buche, das uns hier wegen der Schlachtschilderung von Mühldorf näher berührt, einige Belege hiefür zu nennen. Gleich in dem 2. Kapitel, welches die Zustände Böhmens im Jahre 1318 schildert, bemerkt der Verfasser ausdrücklich, daß er diese W^orte am Tag der Verkündigung Mariae 1818 (25. März) niederschreibe.^ Indem dann im 5. Kapitel be- richtet wird, wie die jugendliche Prinzessin Beatrix im Jahre 1318 mit dem ungarischen König verlobt und vermählt wird, schließt Petrus hieran einen frommen Glückwunsch für das königliche Paar, der erkennen läßt, daß ihm das rasche Ende dieses Ehebündnisses, das schon im Herbst des folgenden Jahres durch den Tod der Beatrix gelöst wurde, zur Zeit der Niederschrift noch nicht bekannt war.^ Im nämlichen Kapitel werden Margareta, Guta, Wenzel und Ottokar als die derzeit lebenden Kinder des, Königs aufgezählt;^ da Ottokar schon am 20. April 1320 wieder starb, erhalten wir hiedurch ein neues Zeugnis dafür, daß der Verfasser seinen
* Vgl. Loserth im Archiv für österr. Geschichte 51, 473, 481 und 489. 2 usque ad presens tempus ad annum seil, doniini 1318 diem Annun-
tiationis dominicae, qua hoc scriho. Fontes rer. Austr. I, 8, 394; Fontes rer. Bohem. 4, 246.
" Da deus, ut crescant, feliciter amho senescant,
Quos coniunxisti, conserves ah omine tristi. Fontes rer. Austr. I, 8, 400 und über den Tod der Beatrix vgl. ebenda 410; Fontes rer. Bohem. 4, 249 und 255.
* sunt itaque lohanni regi et Elyzaheth regine Boemie nunc nati et vivi quatuor liberi, Margaretha, Guta, Wencezlaus et Ottacarus ultimo generatus. Fontes rer. Austr. I, 8, 401; Fontes rer. Bohem. 4, 250; über Ottokars Tod ebenda 410 (bzw. 255).
1^60 Die Berichte über die Schlacht lici Miihldorf.
Bericht über die Ei-eignisse des Jidires 11318 schon 1319 oder spätestens zu Anfang 1820 abgeschlossen ]ial>en muß. Ebenso zeigt die Stelle, welche A'on der Erziehung der Prinzessin Guta nm meißnischen Hofe erziililtj daß dieser Teil des das Jahr 1322 behandelnden Kapitels XI noch im Jahre 1322 oder doch zu Anfang 1323 aufgezeichnet worden sein muß, denn im Frühling des nächsten Jahres wurde die Verlobung rückgängig gemacht, worauf Guta nach Böhmen heimkehrte.- Wenn die zu Ostern 1323 erfolgte Geburt der beiden Prin- zessinnen Anna und Elisabeth sowie die Bestimmung der Elisabeth für den geistlichen Stand erzählt wird, ohne daß beigefügt wäre, wie eben diese Elisabeth schon im August 1324 starb, ^ so ergibt sich hieraus auch für die Vorgänge von 1323 Aufzeichnung noch in diesem Jahre oder in der ersten Hälfte des folgenden. Aus allen diesen und anderen ähnlichen Fällen ^ erhellt mit Bestimmtheit, daß der erste Teil des zweiten Buches der Königsaaler Chronik stückweise und in sehr raschem Anschluß an die Ereignisse verfaßt ist. Diesen Eindruck darf man daher auch auf den Bericht über die Mühldorf er Schlacht im besonderen ausdehnen, um so mehr, als aus der hier vorkommenden Angabe über den Ort der Haft des Herzogs Heinrich sich ein bestimmter, enge begrenzter Termin für die Abfassung ergibt. Da es von
^ a. a. O. 416 (bzw. 261) Jlec 'puella . . . versus Mysn^im deducitiir cf in Castro Wartherch stih antique marchionisse manihus educatur.
2 Nach der bei Weech, Kaiser Ludwig der Bayer und König Johann von Böhmen, S. 114 gedruckten Urkunde der Landgräfin Elisabeth hätte die Auflösung der Verlobung zwischen dem 24. Januar und dem 1. Mai (sand Walpurgtag) 1323 erfolgen sollen. Die Abreise der Prin- zessin mag sich dann noch etwa bis in den Juni verzögert haben, so daß Petrus von ihrem fast einjährigen Aufenthalt am Meißner Hofe sprechen konnte, Fontes rer. Austr. I, 8, 423 ; Fontes rer. Bohem. 4, 265.
» a. a. O. 422 und 429, bzw. 264 und 272.
* Seibt, Studien zu den Königsaaler Geschichtsquellen (Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft, 2. Heft), S. 41 ff. denkt, solche Erscheinungen besprechend, daran, daß Petrus seine Chronik auf Grund von Notizen oder Anmerkungen geschrieben habe, ,die er sieh mit dem Fortgang der Ereignisse machte'; er hat aber dabei die autographe BeschaiTenheit der römischen Handschrift nicht in Rechnung gezogen.
I. Gleichzeitige Nacliiicbten. 261
Heinrich an dieser Stelle heißt in Burgilino Castro regio sedet caphis/ Heinrich aber, wie ans dem Anfang des näch- sten Kapitels hervorgeht, schon zu Weihnachten 1322 von Pürglitz nach Prag gebracht wurde und von dort nach Öster- reich reisen durfte,^ so ergibt sich, da ein solcher Vorgang dem Abt von Königsaal nicht verborgen bleiben konnte, der Schluß, daß Petrus' Bericht über die Schlacht und ihre nächsten Folgen noch vor dem Ende des Jahres 1322 auf- gezeichnet wurde.
Einwendungen gegen diese enge zeitliche Begrenzung scheinen sich aus einer andern Stelle des Kapitels XI zu ergeben. Indem der Verfasser, der hier nach der Eeihenfolge der Monate die Ereignisse von 1322 durchspricht, beim April der Rückkehr von König Johanns Schwester Maria nach Luxemburg gedenkt, fügt er vorgreifend sogleich ihre im August desselben Jahres stattgehabte Vermählung mit König Karl IV. von Frankreich und sogar ihre erst zu Pfingsten 1323 gefeierte Krönung in Paris an,^ auf die er dann im nächsten Kapitel, wo das Jahr 1323 behandelt wird, noch- mals zurückkommt.* Das erweckt den Eindruck, als ob Ka-
1 Vgl. unten Anh. VIII, Z. 61.
2 a. a. 0. 421 f. (bzw. 264) ; Heinrich ist allerdings im Februar 1323 in seine Haft zurückgekehrt (ebenda), aber daß er diese zweite halb- jährige Gefangenschaft auch in Pürglitz verbraclit hätte, ist nirgends gesagt, vielmehr scheint es mir wahrscheinlich, daß dies nicht der Fall war. Die längere Fassung der deutschen Erzählung über den Streit von Mühldorf nennt die Feste Aicharns als Ort der Haft Heinrichs (Anh. IX, Z. 294). Das ist ein bei anderer Gelegenheit auch von Petrus von Zittau (Fontes rer. Austr. I, 8, 374; Fontes rer. Bohem. 4, 230) erwähntes Schloß Eichhorns im südlichen Mähren (vgl. auch österr. Eeimchronik, Mon. Germ. D. Chr. 5, v. 9910 und 16561) ; da für die erste Zeit der Gefangenschaft Pürglitz und Prag als Heinrichs Aufenthaltsorte bezeugt sind, so dürfte die Angabe der deutschen Erzählung sich auf die Zeit vom Februar bis August 1323 beziehen, innerhalb welcher kein Anlaß zu weiterem Ortswechsel ge- funden werden kann. Demnach wird Heinrich nach Weihnachten 1322 nicht mehr nach Pürglitz gekommen sein. Davon abgesehen, war der Ausdruck sedet captus doch nur dann am Platze, wenn Heinrichs Gefangenschaft bishin keine wesentliche Unterbrechung erlitten hatte.
3 a. a. 0. 416 (bzw. 261). * a. a. 0. 423 (bzw. 265).
Archiv. 105. Band. 2. Hälfte. 18
262 Die Berichte (Iher die Schlacht bei Mühldorf.
pitel XI, welches den Sclilachtbericht enthält, erst nach Pfingsten 1323 geschrieben wäre. Allein es bietet sich eine andere Erklärung. Gerade das zweite Buch der Königsaaler Chronik ist uns in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben. Der Codex Palatinus 950 in der Vatikanischen Bibliothek enthält, wie zuerst Palacky feststellte,^ diesen Teil von Petrus' Werk in autographer Form. Leider ist die neuere Forschung noch nicht dazu gekommen, die genannte Handschrift, von der bei jeder Besprechung und Ausgabe aus- zugehen gewesen wäre, gründlich auszunützen.^ Die Nach- richten, die mir ein einstiger Hörer meiner Vorlesungen bei Gelegenheit eines ganz anderen Zwecken dienenden römi- schen Aufenthaltes über die Handschrift freundlich mit- teilte, vermögen diese Lücke nicht ganz auszufüllen, aber sie zeigen, daß Petrus nicht bloß von Jahr zu Jahr, sondern
^ Palacky, Literarische Reise nach Italien (Prag 1838), S. 54 — 56.
2 Loserth, der sich zuerst auf Mitteilungen von K. Schenkl stützt«, scheint später die Handschrift selbst gesehen zu haben; aber die Bemerkungen, welche er im Archiv für österr. Geschichte .51, 452 (vgl. auch S. 458, wo er Palackys Ansicht als , recht gut' zulässig ansah), und in den Fontes rer. Austr. I, 8, S. 4 hierüber macht, bieten doch keine für unseren Zweck ausreichende Beschreibung; was Emier in Fontes rer. Bohem. 4, S. XV über die Handschrift sagt, ist mir allerdings, weil in tschechischer Sprache geschrieben, unverständlich, kann aber auch unmöglich die Fragen lösen, die bei der konzept- artigen Beschaffenheit des Kodex zu beantworten wären. In der Aus- gabe hat Loserth, Fontes rer. Austr. I, 8, 387 — 481 allerdings an 29 Stellen Beobachtungen über in A (so nennt er die Handschrift) durchgestrichene Worte, über Rasuren und Nachträge, die dort vor- kommen, angemerkt, aber dabei handelt es sich zumeist um kleine Änderungen des Wortlautes, die für die Frage der Entstehungsweise weniger ins Gewicht fallen als die größeren Tilgungen und Um- gestaltungen (vgl. die nächste Anm.), und nirgends ist über die Hand Auskunft gegeben, welche die Nachträge vornahm. Ob in dieser Hinsicht die Emlersche Ausgabe mehr bietet, vermag ich zwar aus den leider tscheclüsch gefaßten Anmerkungen nicht selbst zu ent- nehmen, aber die gefälligen Aufschlüsse, welche mir im Winter- semester 1915/16 zwei Teilnehmerinnen meiner Seminarübungeu, Frl. Pohl und Frl. Holzer, gaben, zeigen, daß das nicht der Fall ist. Ebenso verhält es sich mit den nach der Handschrift gemachten Be- merkungen, welche H. Kollmann zu der Übersetzung von Novak (Sbirka kronik, Kronika Zbraslavska) beigesteuert hat.
I. Gleichzeit.i^^ft Nachrichten. 263
auch innerhalb clor Kapitel Unterbrechungen in »einer Arbeit eintreten ließ und daß er auch schon vollendete Teile nach- träglich durch Zusätze am Rande, ja durch Streichung län- gerer Abschnitte und Einfügung neuer Blätter verändert hat.i Bei dem Kapitel XI zeigt schon der veränderte Schrift- charakter, daß es nicht von einheitlicher Niederschrift her-
1 Herr Dr. Karl Kovac, jetzt Vorstand des k. k. Staatsarchivs zu Ragusa, hatte im Herbst 1907 auf meine Bitte die Güte, den cod. Pal. 95T) anzusehen, mir seine Beobachtungen über den Wechsel der Hände mitzuteilen und für mich von fünf Seiten der Handschrift Photographien anfertigen zu lassen. Von seinen Wahrnehmungen scheinen mir die folgenden (als Ersatz der vollständigen Beschrei- bung) hier mitteilenswert: Nachträglich eingefügte Blätter (Zettel von kleinerem Format) sind f. 3., 15 und 18. Da- von enthält f. 3 den Schluß des 1. Kapitels De morte Egydii (Loserths Ausgabe, S. 391, bei Emier S. 244), worauf ein Verweisungszeichen auf f. 2' mit hie scribe de morte Egidii hinweist. Die Einfügung von f. 15, i8 hängt mit der Umgestaltung der gegen Schluß des 10. Kapitels stehenden Ausführungen über die Leprosen zusammen, die sich jetzt auch durch Schrift und Tinte von dem übrigen Texte abheben; sie dürften ursprünglich den Wortlaut des Papstbriefes (bei Loserth S. 415 ist dieser nur angedeutet, vollständig bei Emier S. 258 — 260) nicht enthalten haben und der ganze ihm vorausgehende Absatz aö liora 'prhna bis cautissime coopertos (Loserths Ausgabe S. 414, Z. 20—34, Emier S. 257, 2. Sp., untere Hälfte) stand ur- sprünglich in etwas anderer Fassung auf f. 19, ist aber hier durch- strichen. Zu dieser umfangreichen Tilgung und der Durch- streichung von f. 26' kommen noch folgende nachgetragene Stellen: f. 12 qui potencia bis excreverat (Loserths Ausgabe S. 408, letzte Z., 409, 1. Z.; Emier S. 254, 2. Sp. oben) oben an den Rand geschrieben; f. 12' et plurihus aliis in der Überschrift zu Kapitel 9 und translationis (Loserth S. 411, Mitte; Emier S. 256, 1. Sp., oben). Von den zahlreichen Fällen eines Wechsels der Hand, der Tinte oder der Größe und des Zuges der Schrift sei hier zunächst die schon von Palacky bemerkte Tatsache angeführt, daß an der Eintragung der in den Text eingeschalteten Urkunden und Briefe besondere Hilfsschreiber mitgewirkt haben; so sind nach Kovac' An- gabe von der ,Hand des Urkundenschreibers' f. 36, 37 der Zehnt- erlaß Papst Johanns XXII. (Loserth S. 437, vollständig bei Emier S. 276 — 278), jedoch in seiner Mitte ein Stück ,von Peters Hand'; f. 52' der Anfang des Briefes von König Karl (Loserth S. 461, Emier S. 252) ; f. 55' der größte Teil des Briefes vom Magister Johannes Davidis (Loserth S. 465, Emier S. 295); von einem andern Hilfs- schreiber scheint f. 57 — 63 die lange Prozeßschrift gegen König Ludwig (Emier S. 296—300, Loserth S. 466) eingetragen zu sein.
18*
264 Die Bcnicht^ ül)er die .Schlacht bei Mühldorf.
rühren kann, daß also aus der an einer Stelle nachweisbaren Erwähnung eines jüngeren Ereignisses nicht auf die Ent- stehungszeit des Ganzen geschlossen werden darf; die auf dem unteren Teil von f. 19 eingetragene Überschrift mit dem Anfang des Kapitels XT (bis in haptismate imponitur) und vermutlich auch noch die nächsten Abschnitte sind näm- lich, wenn nicht von anderer Hand, so doch in anderem, mehr zur Kursive neigendem Schriftzug, also augenscheinlich in einem anderen Zeitpunkt geschrieben als der in der Mitte von f. 21 beginnende Abschnitt De proelio duorum regum, der seinerseits Schriftgleichheit mit den vorangehenden, von dem Sturz des Propstes Johann handelnden Versen aufweist.^ Dabei ist zu beachten, daß zu der Überschrift des Kapitels, die zuerst nur auf den Kampf der Gegenkönige und mehrere andere Vorfälle {cum incidentiis plurimis) hinwies, erst nach- träglich die Worte de nativitate, de morte, de desponsatione plurimorumy welche deutlich den Inhalt der ersten Kapitel- hälfte kennzeichnen, hinzugefügt worden sind.^ Dieser Be- fund legt, die Vermutung nahe, daß die zweite Hälfte des Kapitels XI früher geschrieben war als diejenigen Sätze, welche jetzt seine erste Hälfte bilden, ein Vorgang, welcher in einer anderen Stelle der Handschrift ein Seitenstück finden würde; denn gleich auf ihrer ersten Seite tritt mit dem vierten Satz des ersten Kapitels (Loserth S. 387, Emier S. 241) ein Schriftwechsel ein, der nicht aus Unterbrechung der Arbeit, sondern nur dadurch zu erklären ivst, daß die ersten drei Sätze erst nachträglich an die Spitze des Kapitels^
^ Da mir nur von f. 19 und 21 Photographien vorliegen, vermag ich den Punkt, an welchem der Schriftwechsel eintritt, nicht genau an- zugeben. Kovac bemerkte, daß die Worte Karulo rege Francorum — anno scquenti (Loserth S. 416, Mitte, Emier S. 261, 1. Sp.) mit anderer Tinte an den oberen Hand gesetzt seien, wodurch die chrono- logische Schwierigkeit aber noch nicht behoben werden könnte. Wich- tiger ist, daß die Stelle prope castrum JJornherch und das Wort Ysen (so und nicht Yser liest Kovac) von gleichzeitiger, aber besser mit anderen Stellen der Handschrift übereinstimmender Hand auf Rasur eingetragen sind. Loserth und Emier haben von dieser auf der Photo- graphie deutlich ersichtlichen Tatsache nichts erwähnt.
2 Das hat auch Loserth S. 415, Anm. c bemerkt.
' Diese auffällige Tatsache ergibt sich unzweifelhaft aus der Nack- tragung der die Anknüpfung herstellenden Worte itaqiip einsdcrn um
I. Gleichzeitige Nachricliten. 265
gesetzt worden sind. Verhält es sich mit dem Anfang des 11. Kapitels ähnlich wie mit dem des 1., so verliert die auf die Pariser Pfingstfeier von 1323 bezügliche Stelle seiner ersten Hälfte alle Beweiskraft für die Entstehungszeit der weiterhin über die Mühldorfer Schlacht gebotenen Erzählung. Somit verträgt sich der bisher bekannte Schriftbefund der vatikanischen Handschrift sehr wohl mit der Annahme, daß der Mühldorfer Schlachtbericht der Königsaaler Chronik noch vor dem Ende des Jahrs 1322 niedergeschrieben sei und jene Nachrichten darstelle, welche Abt Petrus von den böhmischen Teilnehmern des Kampfes unmittelbar nach ihrer Heimkehr zu erfahren Gelegenheit hatte. Daß sich der Chronist dabei an die Aussagen der angeseheneren und besser unterrichteten Männer gehalten haben wird, ist bei seiner gesellschaftlichen Stellung und anerkannten Wahrheitsliebe nicht zu bezweifeln. Daß es an einer ausdrücklichen Be- rufung auf glaubhafte Berichterstatter, die sonst bei Petrus öfter anzutreffen ist,^ diesmal fehlt, ist allerdings zu be- achten; es mag damit zusammenhängen, daß die Zahl der Fußkämpfer uiid Schützen auf Ludwigs Seite sowie die Ge- samtzahl der Gefallenen (Anh. VIII Z. 13 u. 46) nur mit dem unsicheren ut dicitur eingeführt werden. Aber die in der vatikanischen Handschrift wahrnehmbaren ^ Verbesserungen an der Ortsbezeichnung (prope cdstrwm Dornherch und Ysen sind von gleichzeitiger Hand nachgetragen) zeigen, daß der Verfasser bemüht war, seinen Schlachtbericht richtig zu
linken Rand und aus dem Umstand, daß die Schlußworte des dritten Satzes ad archiepiscopatum revertitur Moguntinum, weil der Platz nicht mehr reichte, auf den rechten Rand hinausgeschrieben wurden. Loserth und Eraler liaben über diese ganze Sache nichts bemerkt, sie läßt sich aber schon aus der Lithographie, die der Losertli sehen Aus- gabe beigefügt ist, genügend erschließen; mir liegt außerdem eine photographische Abbildung dieser Seite vor, die zeigt, daß diese drei ersten Sätze des Kapitels auf Rasur stehen; es sind noch einige Reste der ursprünglichen Schrift zu sehen.
^ Man vgl, bei der Belagerung von Metz Plures reraces viri, qui eidem interfiierunt ohddioni, testantiir et dicunt (Fontes rer. Austr. I, 8, 429; Fontes rer. Bohem. 4, 272, 1. Sp.) ; oder über die Höhe der in Böhmen eingehobenen Steuer ut dicebatur miclii a regis officialihus a. a. 0. 431, bzw. 273, 1. Sp.).
'^ Vgl. vorige Seite, Aum. 1 und Anh. VIIT, Z. ß.
266 Die Bericlite über die Schlacht bei IMühldorf.
gestalten. Wie sich Petrus in einem anderen Fall besondere Benachrichtigung über die kriegerischen Erfolge des Königs Johann ausgebeten hatte/ so wird er auch bei diesem wich- tigen Ereignis nicht bloßem Gerede gefolgt sein, sondern seine gute Stellung am Königshof zu Erlangung zuverlässi- ger !N"achrichten ausgenützt haben. So verdanken wir dem Abt von Königsaal den ausführlichsten, zuverlässig als gleichzeitig anzusehenden Schlachtbericht. Was außer den bisher besprochenen Stellen auf uns gekommen ist, kann mit ihnen nicht mehr auf gleiche Höhe gestellt werden, weil es in größerem zeitlichen oder örtlichen Abstand von dem Ereignis geschrieben ist. Überreste anderer nahestehender gleichzeitiger Aufzeichnungen mögen in abgeleiteten Quellen noch erhalten geblieben sein, aber wir besitzen nirgends mehr wie hier die zuverlässige Gewähr getreuer Erhaltung des ursprünglichen Wortlautes.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern,
Von allen Berichten über die Mühldorfer Schlacht er- freut sich keiner so großen Ansehens Avie jene deutsche Er- zählung, die man den ,S t r e i t von M ü h 1 d o r f ^ zu nennen pflegt. Böhmer hat sie mit rühmenden W^orten zu den Perlen der deutschen Greschichtschreibung gerechnet, Weech, wie schon erwähnt, sie über alle anderen Quellen gestellt und Dobenecker ihr einen besonderen Abschnitt seiner Arbeit gewidmet ;2 trotzdem besitzen wir bis heute keine abschließende, die Lesarten der verschiedenen Hand- schriften berücksichtigende und kritisch abwägende Ausgabe dieser merkwürdigen Quelle und auch keine befriedigende
1 Fontes rer. Austr. I, 8, 484 ff.; Fontes rer. Bohem. 4, 309 ff.
2 Böhmer, Fontes 1, XVIII: ,Diese kurze, aber inhaltreiche und schöne Erzählung eines Gleichzeitigen müßte zu den Perlen der deutschen Geschichtschreibung gerechnet werden, aus welcher Zeit sie auch stammte, ist aber um so beachtenswerter, da sie zugleich eines der ältesten Denkmale geschichtlicher Prosa in deutscher Spraxjhe is,t.-' Dazu vgl. Weech in den Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 85 ff. und Dobenecker in den Mitt. des Inst. f. österr. Geschichtsi., 1. Ergbd., 198—219.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 267
Erklärung ihrer Entstehungsart. Nur soviel hat Dobenecker klargestellt, daß sich die Handschriften, denen wir den Wort- laut des ,Streites^ verdanken, derart in die zwei schon von anderen Forschern erkannten Klassen teilen, daß die an Zahl stärker vertretene und zeitlich weiter hinaufreichende Hand- schriftenklasse eine kürzere, die minder zahlreiche, nur durch etwas jüngere Handschriften vertretene Klasse hingegen eine längere Fassung enthält; während jene (nach Doben- ecker ,Eedaktion I^, hier abgekürzt D 1) durchgehends mit der Freilassung Friedrichs des Schönen, also mit den Worten wart cJiunig FridreAch ledig schließen, führt diese (Doben- eckers ,Eed. 11^ = D 2) den Gang der Erzählung bis zu Friedrichs Heimkehr nach Österreich und nimmt in den Schlußworten sogar Bezug auf Ludwigs Romfahrt. ^ Wenn wir uns nun in bezug auf die Entstehungszeit der Quelle, die für unsere Untersuchung zunächst in Betracht kommt, an Dobenecker anschließen, so würden sich aus seinen Dar- legungen zwei verschiedene Abfassungszeiten ergeben: die beiden Fassungen gemeinsame Grundlage würde nach dem Trausnitzer Vertrag vom 13. März 1325, und zwar wahr- scheinlich bald nach diesem Datum anzusetzen sein, die län- gere Fassung (D 2) in die Zeit zwischen dem 7. J anuar 1328 (Ludwigs Einzug in Eom) und dem 13. Januar 1330 (dem Todestag Friedrichs) gehören. Schon diese Ansätze Dobeneckers lassen erkennen, daß dem Schlachtbericht, der liier vorliegt, der Rang einer gleichzeitigen Quelle in dem oben (S. 240) umgrenzten Sinn nicht ganz zugesprochen wer- den kann; zwischen dem Ereignis und der Niederschrift würden mindestens zweieinhalb Jahre liegen. Ich glaube aber, Dobeneckers zeitlichen Ansatz noch w^eiter herabrücken und die Entstehung der Quelle anders auffassen zu müssen, als er es getan. Es wird, um seine Ansicht zu prüfen, nötig sein, die LTnterschiede der beiden Fassungen und die Art ihrer Überlieferung genauer zu erwägen.
^ Beide Fassungen sind unten Anh. IX im Spalteudruck nebeneinan- der gestellt, jedoch so, daß Dobeneckers Redaktion II (D 2) den ersten, seine Redaktion I (Dl) den zweiten Platz einnimmt. In den folgenden, auf den Anhang verweisenden Zitat,en ist also IX, 1 = D2 und IX. 2z=Dl.
Die Berichte über die Schlacht, bei Mühldorf.
Vor allem ist zu beachten, daß die kürzere Fassung, was übrigens auch Dobenecker (S. 215 und 217) erwähnt hat, nicht nur am Schluß hinter der längeren zurückbleibt, sondern auch innerhalb des beiden gemeinsamen Teiles mehrere größere Lücken aufweist. Es fehlen ihr, um nur das Wichtigste hier aufzuzählen:
1. die' Worte: Die gierigen do zu dem pischolf Friderich von SaUz'purch und namen den mit in, Anh. IX 1, Z. V9 — 82.
2. Desselben nachts rait Icunig Fridreich und Dietreich von Pilichdorff under sein her usw. die Anrede Friedrichs bis das laider nicht geschach, Anh. IX 1, Z. 95 — 107.
3. an sand Michelsahent machten sy sich aiiff gen dem von Payern und, IX 1, Z. 108—110.
4. Do fluhen die Ungern und, die haiden alle, die chunig Fridreich dar pracht het, auf an den pergh und ivart der streit auch domit verlarii, IX 1, Z. 176 — 180.
5. daz luert untz auff die vespertzeit, do fürt man usw., das ganze Zwiegespäch der zwei Könige bis domit enphetten sy in, IX 1, Z. 183—191.
6. das er in in huet solt haben erleich, als er tat, IX 1, Z. 201, 202.
7. In derselben zeit bis gerochen haben, IX 1, Z. 209 bis 213.
8. gen Lawbing in die stat, IX 1, Z. 237, 238.
9. und alle ir herwegen beliben da. Do Icom hertzog Leupold an dieselben stat und nam alles das, das er vant, IX 1, Z. 240—243.
10. und vertedigt sich mit im bis gen München honi, IX 1, Z. 248—251.
11. der des chunigs peicMiger was, IX 1, Z. 254, 255.
12. der des von Payeru peichtiger ivas l)is prior von Maurpach, IX 1, Z. 256—268.
Will man mit Weech und Dobenecker beide Redak- tionen als voneinander unabhängige Ableitungen einer ge- meinsamen Vorlage betrachten,^ so erhebt sich die Frage, ob. diese Verschiedenheiten als Lücken der kürzeren oder
^ Weech hat iu den Forschungen zur deutschen Cesdiiclite 4, 86 f. eine auf den Drucken von Böhmer (D 1) und Zeibig (Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 9, 3C2 ff., D 2) beruhende Vergleichung der
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 269
als Zutaten der längeren Fassung angesehen werden sollen. Zugunsten der zweitgenannten Auffassung ließe sich geltend machen, daß die nur in der längeren Fassung (T) 2) über- lieferten Stellen untereinander manche Eigentümlichkeiten gemein haben, die man in der kürzeren Fassung (D 1) nicht antrifft.^ Aber da auch die Vermeidung bestimmter Wendun- gen auf die Absicht und den Geschmack des Bearbeiters zurückgehen kann, so reichen diese Wahrnehmungen doch nicht zu einem Beweise aus. Die umgekehrte Annahme, die Ansicht, daß wir es hier nicht mit Zutaten der längeren, sondern mit Auslassungen und Veränderungen von selten der kürzeren Fassung zu tun haben, bleibt trotzdem möglich, ja sie ist weitaus wahrscheinlicher. In einigen Fällen ist
beiden Fassungen angestellt und aus ihr geschlossen, daß beide auf gemeinsame Quelle zurückgehen und daß die Annahme unmittelbarer Ableitung der einen aus der andern unzulässig sei. Er war sicli bewußt, daß von unmittelbarer Ableitung der Fassung D 1 aus dem von ihm benützten Text von D 2 ohnehin nicht die Rede sein konnte, weil dieser jünger war als jener; er übersah aber, daß die Frage de> Verhältnisses der Fassungen nur auf Grund vollständigerer Be- herrschung der Überlieferung gelöst werden könne. Dobenecker, der diese Vorbedingung in der Hauptsache erfüllte, hat doch ohne weiteres den Gedanken Weechs, ,daß beide Redaktionen auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen sind', als sicher hingenommen (S. 216) und ihn dann durch die Annahme einer ,nach mündlicher Überlieferung zu verschiedener Zeit in zwei Versionen' erfolgten Aufzeichnung eines Stückes ,aus einer größeren zusammenhängenden Erzählung, die im Jahr 1325 abgeschlossen wurde', weitergebildet, ohne dafür einen hinreichenden Beweis zu erbringen. * Nur in den fraglichen Stellen, und zwar in den oben als 2. und 5. angeführten, werden die beiden Könige in direkter Rede eingeführt, die beiderseits vorkommenden Worte IX, Z. 88 — 94 zeigen indirekte Rede; die Eingangsworte von 7 In derselben zeit finden sich ebenso gleich zu Beginn der ganzen Erzählung, IX 1, Z. 7, aber auch hier nur in D 2, während D 1 mit einer Art von Publikation Do lat man wizzen alle leyte, daz anhebt; auch die Wendungen umh das cliunig- reich und umh dos reich (IX 1, Z. 21 und 40), das got des ein endt wolt gehen und das er der Jcristenhait des ein endt wolt machen (IX 1, Z. 35, 36 und 90, 91), ein gemessner streit (IX 1, Z. 39 und 234), das Bindewort als (IX 1, Z. 102, 190, 202) und das Beiwort erler (IX 1, Z. 218, 228, 302) kommen nur in D 2 vor, könnten also zunächst als bezeichnende Zutaten desjenigen, welclier D l umgearbeitet und fortgesetzt hat, angesehen werden.
270 Die Berichlo über die Schlacht bei Wühhiorf.
man schon dadurch genötigt, dieser zweiten Ei^klärungsart den Vorzug zu geben, daß D 2 einen verständlicheren Sinn gibt als Dl. Das tritt am deutlichsten bei der Lücke 9 hervor; die kürzere Fassung läßt den Leser im Zweifel dar- über, welcher der beiden Gegner sich von Burgau aus nach Bayern wandte, und sie verschweigt die Wegnahme der zu- rückgelassenen bayrischen Heerwagen durch Herzog Leopold, welche für die Beurteilung der Lage von großer Bedeutung ist. In ähnlicher Weise verursacht auch die Lücke 4 eine Unklarheit über den Verlauf der Mühldorfer Schlacht; die kürzere Fassung übergeht hier das Verhalten der Ungarn und Heiden, das in der längeren ausdrücklich als eine der Ursachen des für König Friedrich unglücklichen Ausgangs bezeichnet wird. Diese Lücke hängt allerdings mit der andern Tatsache zusammen, daß D 1 auch dort, wo von der Gliede- rung des österreichischen Heeres die Eede ist, die Ungarn und Heiden nicht erwähnt, während ihnen D 2 nach der Aufzählung der vier Eotten die Worte widmet (IX, 1 Z. 132 — 135) : Do het sich der Werder von Osterreich ^ mit den
* Dobenecker druckt das Wort werdet klein und bemerkt S. 187, Anui. 7 im Anschluß an Weech (Forschungen 4, 95 f.), daß darunter König Friedrich zu verstehen sei. Seine Begründung, der Plinweis auf die Worte die chunig Fridreich darpracht het (IX, 1 Z. 178) genügt um so weniger, als das darauffolgende auf an den -pergk wohl nicht von darpracht, sondern von fluhen abhängig s«in dürfte; auch würde der Habsburger nach Weech und Dobenecker gewissermaßen an zwei Stellen des Heeres zugleich geweilt haben müssen, da ja auch eine der vier Rotten des Heeres unter seiner Führung stand. Davon ab- gesehen, ist es an sich sehr unwahrscheinlich, daß der Erzähler, M elcher sonst von König Friedrich stets mit Namen und Titel spricht, ihn an dieser einzigen Stelle mit einem so merkwürdigen Beinamen bezeichnet hätte. Dobeneckers ganze Annahme wird überflüssig durch den Umstand, daß es ein österreichisches Geschlecht derer von Werde gibt (das im Jahr 1291 verfaßte Gedicht des sogenannten Seifried Helbling ,von der samunge' verlangt von den ,Werdaer algellche arm u. riclie' die Stellung von 50 Mann, Ausgabe von Seemüller S. 9, 290; bei Lichuowsky, Geschichte des Hauses Habsburg 3 b, Reg. Nr. 9, 24 [25, 26], 51, 158, 376, 468 aus den Jahren 1308 bis 1316 Belege für Elsbeth, Konrads von Werde Witwe und ihre Söhne Chadolt, Hadmar, Chunrat, dann für Gimdaker und Heinrich von Werde) und daß die Teilnahme und hervorragende Betätigung eines Mitglieds dieser Fa- milie an der Schlacht durchaus wahrscheinlich ist.
IT. Jüngere Daratelluiigoii aus den beteiligten Ländern. 271
Ungern und mit den haiden an einen perch hesunder gelait und erstj nachdem so 'die Einteilung des ganzen österreichi- schen Heeres dargelegt ist, sich dem Beginn des Kampfes zuwendet. Die kürzere Fassung gedenkt nur der vier Eott-en, schließt daran einen lobenden Satz über die Haltung der Herren und dann als Tadel den (in allen Handschriften durch Einschiebung der nicht hieher gehörigen Worte der Herren panyr entstellten) Satz: die IJnger die heiden fluclien unstetliclieyi an den perch; es liegt also hier eine Zusammen- ziehung der beiden von Ungarn und Heiden handelnden Stellen in einen einzigen Satz vor, die dem Verständnis weit weniger entgegenkommt als die beiden Stellen von D 2. Es ist nicht denkbar, daß durch bloße Umarbeitung aus dem einen auf Ungarn und Heiden bezüglichen Satz von D 1 die beiden inhaltlich reicheren Sätze von D2 entstanden wären; der umgekehrte Vorgang aber ist einem auf Kürzung be- dachten Überarbeiter wohl zuzutrauen.
Schon diese Stellen führen zu dem Schluß, daß die in ihrer ersten ISTiederschrift nicht mehr erhaltene, aber durch die auf uns gekommenen jungen Abschriften genügend er- kennbare Fassung D 2 die ursprüngliche sei, während die Fassung D 1 trotz ihres schon bei 1325 Halt miachenden Schlusses und trotz des höheren Alters der Handschriften, in denen sie sich findet, nur eine nachträglich abgeänderte Form von D 2 darstelle. Dafür sprechen dann auch mit überzeugender Kraft noch andere Beobachtungen. In D 2 wird Friedrich mit dem Königstitel bedacht, sein Gegner erhält, abgesehen von dem Schluß, wo er Kaiser heißt, nur den Herzogstitel ^ und zumeist bloß die Bezeichnung der von Payrn ; in D 1 widerfahren auch Ludwig königliche Ehren, die Mehrzahl der betreffenden Stellen sind zu chunig Ludweig oder chunig Ludiueig van Payiern umgeändert (vgl. IXi, 2 Z. 13, 27, 65, 196, 213 mit IX, 1 Z. 12, 25, 64, 195, 214) und -sinngemäß ist, wo D2 einfach von dem König spricht, darunter den Habsburger verstehend, in Dl der Name
Das haben aucli schon Weeeh in Forschungen zur deutat^hen Geschichte 4, 88, Anm. 1 und Dobenecker S. 216 bemerkt, aber keine weitereu Folgerungen daran geknüpft
272 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
Friedrich hinzugefügt (IX, 2 Z. 61, 248; vgl. IX, 1 Z. 50, 247). Stellt sich also der Schreiber von D 1 ganz deutlich auf den Standpunkt, daß beiden Herrschern der Königs- titel gebühre, so fällt auf, daß auch bei ihm Ludwig dreimal (IX, 2 Z. 128, 236 f., 246 f.) kurzweg als der van Payren erscheint und in drei anderen Fällen (IX, 2 Z. 65, 196, 213 f.) nicht so wie Friedrich (IX, 2 Z. 10) chunig van Rom genannt, sondern mit dem Namen seines Stammlands als chunig L. van Payiern bezeichnet wird. Das erklärt sich am besten durch Einwirkung der in D 2 üblichen Aus- drucksweise, welche der Überarbeiter aus Versehen unge- ändert übernommen oder nur halb umgestaltet hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Gebrauch des bischöflichen und erzbischöflichen Titels ; in D 2 wird nur der erstgenannte angewandt, so daß der Mainzer und der hier zweimal an- geführte Salzburger Erzbischof als einfache Bischöfe auf- treten (IX, 1 Z. 14, 80, 122); Dl hat dies in dem einen Fall verbessert (IX, 2 Z. 121), den ungetreuen pischolf von Maintze aber beibehalten (IX, 2 Z. 15). Auf absichtliche Veränderung von selten desjenigen, der D 1 verfaßte, läßt sich auch die von D 2 abweichende Reihenfolge der vier Rotten des österreichischen Heeres (IX, 2 Z. 111 — 121) zu- rückführen, welche, wenn man von den salzburgischen Kämp- fern absieht, nach dem Rang geordnet ist, während in der entsprechenden Stelle von D 2 die Wallseeischen Brüder vor König Friedrich genannt sind; es wäre schwer einzu- sehen, wieso aus der in D 1 überlieferten Anordnung der Rotten jene in D 2 hätte entstehen sollen, während für die umgekehrte Änderung das Bestreben, dem König den ersten Platz zu geben, als Beweggrund genügt. Auf absichtlicher Änderung werden dann wohl auch die zum Teil schon von Dobenecker S. 216 bemerkten, aber nicht erklärten Ver- schiedenheiten in den beiderseitigen Angaben über die Dauer des Kampfes der Gegenkönige und der Gefangenschaft Fried- richs beruhen; in D 2 ist jene mit sechs Jahren, diese mit drei Jahren und drei Tagen bemessen (IX, 1 Z. 22, 207 f.), während D 1 dort i7i daz sechst jare, hier in daz drite jar setzt (IX, 2 Z. 24, 203 f.). In welcher Weise jenes sechste Jahr des Krieges l)crechnet ist, läßt sich kaum] mit Sicher-
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 273
heit erkennen,^ aber in Bezug auf die Gefangenschaft Friedrichs, welche tatsächlich vom Herbst 1322 bis in das Frühjahr 1325, also nicht drei volle Jahre, sondern bis in das dritte Jahr währte, entspricht die Lesart von D 1 der Wahrheit genau, während D 2 von ihr abweicht. Es ist nicht anzunehmen, daß der Verfasser von D 2 ^die Zeitangabe von D 1 entstellt hätte, sondern es drängt sich auch hier die Vermutung auf, daß D 2 den ursprünglichen, D 1 aber einen verbesserten Text bietet.^
Ich kann wohl davon absehen, alle Abweichungen der beiden Fassungen unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten ^
1 Die an der Spitze der längeren Fassung (IX, 1 Z. 4) in allen Hand- schriften stehende Jahreszahl MCCCXVIII paßt zu der anschließend daran erzählten Königswahl ebensowenig wie zu dem Plauptinhalt der Quelle; es ist also wohl berechtigt, hier an Verlesung für MCCCXXIII zu denken. Ansetzung der Schlacht zu 1323 begegnet auch in anderen Quellen, so auch in der ursprünglichen Fassung des Johann von Viktring, s. Schneiders Ausgabe in SS. rer. Germ. (Joh. Vict. liber cert. hist.) 2, 81 und 116, Anm. h. Wie es aber möglich war, die Dauer des Thronkampfs mit sechs Jahren anzugeben, das wird weder aus der überlieferten, noch aus der derart verbesserten Zahl verständlich.
2 So wie die in D 2 an die Spitze gestellte falsche Jahres^ahlj (s. vorige Anmerkung) in D 1 berichtigt ist, so ist auch im Text, wo schon D 2 ganz richtig das Jahr 1322 und den Michelsabend genannt hatte, in D 1 die zutreffende Wochentagsangabe des Ertages hinzugefügt (IX, 2 Z. 37) ; im Eingang ist freilich der Versuch, diesen Wochen- tag in lateinischer Sprache zu bezeichnen, gründlich mißglückt, denn feria secunda post Michaelis proxima (IX, 2 Z. 5 f.) würde auf den 4. Oktober 1322 führen anstatt auf den 28. September, der als Schlachttag feststeht.
•■' Beachtenswert ist, daß D 1 die beiden Brüder von Wallsee beiden» al (IX, 2 Z. 84 f. und 118) im Gegensatz zu D 2 mit dem Titel ,hev' einführt und das eine Mal auch der Söhne gedenkt; ferner daß nur D 1 von dem auf Dornberg sitzenden Goldecker Kunde hat, IX, 2 Z. 192, dagegen nur D 2 den Hans von Kunring rühmend erwähnt, IX, 1 Z. 144, während D 2 hier (IX, 2 Z. 143—145), die schon vorher ausgesprochene Lobpreisung Friedrichs in auffälliger Weise verdop- pelnd, Worte einschaltet {nie dhein man chunaern man. . . je gesehen het), die fast wie ein Mißverständnis oder eine Verlesung jenes Namens aussehen, aber doch auf absichtlicher Verschweigung der Verdienste des Kunringers beruhen können. Im allgemeinen acheint die Umarbeitung bemüht, dem an der Schlacht beteiligten öster- reicliischen Adel mehr Anerkennung zu zollen, als es in der ersten
274 nio Eoriclih^ iil>pr dio Sclilacbt bei Mühldorf.
und liier von der größeren oder geringeren Glaubwürdigkeit jeder einzelnen Lesart zu sprechen ; vorgenommene Änderun- gen könnten an sich ebenso gut auf VerbeSvSerung als auf Verschlechterung hinauslaufen. Aber für die Entstehungs- zeit der Quelle ergibt sich aus dem bisher Erörterten eine wichtige Folgerung. Wenn D 1 eine abgeänderte und an sehr vielen Stellen gekürzte Umarbeitung des in D 2 über- lieferten Wortlautes enthält, so muß auch die Tatsache, daß der unserer Fassung D 2 eigentümliche Schluß, IX, 1 Z. 270 — 312, in D 1 fehlt, vorsichtiger beurteilt werden, als es bisher geschah. Es ist keineswegs sicher, daß dieser Schluß eine Zutat von D 2 sei, es kann sich vielmehr auch hier um einen ursprünglichen Teil handeln, welcher von dem kürzenden Überarbeiter, der D 1 herstellte, weggelassen wurde, und deshalb nur in D 2 vollständig erhalten blieb. Ist diese Vermutung zulässig, und die enge sprachliche Über- einstimmung ^ zwischen dem Schluß und den vorangehen- den Teilen von D 2 spricht dafür, dann geht es nicht an,
Fassung der Fall war; die scharfen Worte von D2 das laider nicht (jeschach, IX, 1 Z. 107, sind mit der ganzen Ermahnung Friedrichs an seine Landherren in D 1 weggeblieben, und während D 2 (IX, 1 Z. 138) ,etlichen Herren von Österreich* das Lob spendet, männlich gekämpft zu haben, sagt. D 1 mit deutlicher Absicht: Alle die herren die da waren, die vahten menlichen, IX, 2 Z. 123 f. Daß dann dennoch auch in D 1 der harte Vorwurf gegen den namlosen herren in Oster- rich (IX, 2 Z. 163 f.) stehen blieb, ist wohl einer jener Widersprüche, die sich bei einer an den Einzelheiten herumflickenden und doch vor gänzlicher Abänderung zurückscheuenden Umarbeitung leicht ergeben. Dagegen müßte die Hinzufügung der Worte mit willen (IX, 2 Z. 5C), welche dem Adel in recht unklarer Weise absichtliches Verzögern des Marsches durch Räubereien vorwirft, obwohl sie allgemeiji ge- lialten ist, doch wohl eine Spitze gegen bestimmte Kreise in sich schließen, die man solcher Handlungsweise beschuldigen wollte, wenn nicht bloß eine Verderbnis des in D 2 vorkommenden durch rauhes willen (IX, 1 Z. 57) vorläge. ^ Man vgl. seinem prüder hertzog Lewpolden IX, 1 Z. 228 f. und 270 f.; do antwurt er in viztum W. IX, 1 Z. 200 f. und und in geantwurt wart Z. 292 f.; do fürt man den kunig IX, 1 Z. 184 f., ähnlich Z. 192, 197, anderseits den er fürt mit im Z. 293; do huh sich hertzog Al- lrecht auff IX, 1 Z. 227 f. und do huh sich chunig Fr. auff Z. 298 f.; do enphie er in IX, 1 Z. 187 und do eniphie man in Z. 302. Schon der regelmäßige Gebrauch des Wörtchens do, der dem Schluß ebenso
IT. Jiinfrere Darstelluiigoii aus den beteiligen Ländern. 275
die Entsteluing«zoit von D 1 aus dein S€liliiß der kürzeren Fassung abzuleiten. Auch für D 1 gelten vielmehr dieselben oberen Zeitgrenzen wie für D 2, ja I) 1 wird dann noch als etwas jünger wie D 2 anzusehen sein.
Was nun die Entstehung von I) 2 anbelangt, so meinte Dobenecker, daß sie ^wahrscheinlich bald nach dem 7. Ja- nuar 1328, d. h. nach dem Einzüge Ludwigs in Eom, der zuletzt erwähnt wird^, erfolgt sei. Ich denke, daß auch ein etwas früherer Ansatz sich vertreten lassen dürfte. Die Schlußworte von 1)2: Do beleih er in dem lande ze Oster- reich und half oftendes dem chaiser mit seiner mßcht, das er über das Partenpirge chom gewaltildeich gen Rom, IX, 1 Z. 308 — 312, konnten doch schon vor der Ankunft Lud- wigs in der ewigen Stadt geschrieben werden; daß Eom das Ziel seiner Fahrt sei, wußte man schon beim Betreten des italischen Bodens und ebenso war das längere Verweilen Friedrichs in seinen Erblanjden vorauszusehen, spbald er einmal in voller Freiheit das Land betrat. Mehr als solche Voraussicht brauchen jene Worte nicht zu besagen; aller- dings wird Ludwig der Kaisertitel beigelegt, aber auch dieser konnte vorweggenommen werden, ja es muß in dieser Hinsicht eine Vorwegnahme stattgefunden haben, da dem Witteis- bacher während des Zuges nach Eom jener Titel jedenfalls noch nicht zukam. Die jüngsten in D 2 mit voller Sicher- heit erkennbaren Tatsachen sind also Ludwigs Aufbruch nach Italien, der von Trient aus am 14. M:ärz 1327 erfolgte und erst drei Wochen vorher beschlossen worden zu sein scheint,^ und die endgültige Heimkehr Friedrichs in seine Erblande, die sich auf dem weiten Weg von Innsbruck über Kärnten und Steiermark durch etwa zwei Monate hinzog und ihn um die Mitte März 1327 nach Wien führte.^ Von hier aus, wo Friedrich nun länger weilte, mag auch die Weinsendung an den Viztum Weiglein abgegangen sein,
eigen ist wie den vorangehenden Teilen, legt Zusammengehörigkeit
der ganzen Fassung D 2 nahe. ^ Vgl. Chroust, Die Romfahrt Ludwigs des Bayers S. 63 fiF. ^ Der König war am 28. Dezember in Innsbruck, 28. Januar in Marburg,
28. Februar in Reun, 5. März in Wiener-Neustadt, 15. März in Wien.
Böhmer in den Regesteu Ludwigs des Bayern, Friedrich Nr. 223 — 228.
276 Die Boriclite über <lio .Sclilacht bei Mühldorf.
deren unsere Quelle am Schluß gedenkt.^ Diesen oberen Zeit- angaben läßt sich nach unten hin nur der Tod Fried- richs, der am 13. Januar 1380 eintrat, aber in unserer Quelle nicht mehr erwähnt ist, mit einiger Wahrscheinlich- keit als Grenze der Entstehungszeit gegenüberstellen ; es wäre, wie schon Dobenecker empfand, dem Erzähler, auch wenn er sich enge an das am Anfang und am Schluß von D 2 bezeichnete Thema des , Streites^ hielt, doch kaum zu- zutrauen, daß er das frühe Ende seines Helden mit keinem Wort angedeutet hätte, wenn die Quelle erst 1330 entstanden sein sollte.^ So ergeben innere Gründe zunächst soviel, daß die Abfassung von D 2 in den Jahren 1327 bis 1329 er- folgte. Und dafür läßt sich auch aus den tJberlieferungs- verhältnissen eine Bestätigung gewinnen.
Um die Erklärung der Überlieferungsweise unserer Quelle hat sich Dobenecker großes Verdienst erworben; aber er ist in dieser Hinsicht nicht zu ganz abschließenden Er- gebnissen gekommen und diejenigen Forscher, die nach ihm den Gegenstand öffentlich zu berühren Anlaß hatten, sind.
^ Besser, Ludwig der Bayer und Friedrich von Österreich, in der Bei- lage zur 83. Nachricht des Friedrich-Gymnasiums zu Altenburg, 1890, S. 9 ff. meint allerdings, daß mit der gemeldeten Heimkehr Friedrichs seine erste Anwesenheit in der Heimat im Frühjahr 1325 gemeint sei, und er setzt daher in diese Zeit die Weinsendung an Weiglein. Dem widerstreitet aber, abgesehen von anderen aus solcher Deutung er- wachsenden Schwierigkeiten, der Schlußsatz da heleih er in dem lande ze Österreich. Dieser konnte auf vorübergehendes Verweilen in Öster- reich nicht angewendet werden, also weder auf diesen ersten Besuch, noch auf den zweiten, der im März 1326 erfolgt sein dürfte. Urkund- lich läßt sich nämlich Friedrich am 22. März dieses Jahres zu Inni- chen nachweisen (Böhmer, Reg. 216) und Johann von Viktring meldet, daß er zu Judenburg die Nachricht von dem zu Ende Februar er- folgten Tod seines Bruders Leopold erhielt (Ausgabe von Schneider 2, 95 f. und 127). Aber schon Ende April 1326 war er wieder im Elsaß und weilte nun nach Ausweis der Urkunden (Böhmer, Reg. 217 — 222, 258, 259, 384, 385) ohne Zweifel bis zu der um Weihnachten ge- schehenen Innsbrucker Zusammenkunft in Schwaben.
2 Dobenecker a, a. O. 216. Man könnte einwenden, daß auch der Tod Herzog Leopolds (gestorben 28. Februar 1326) und das Ende Herzog Heinrichs (gest. 3. Februar 1327), die doch beide in der Erzählung mehrfach genannt wurden, unerwähnt blieben; aber sie sind immerhin Nobengestalten, Friedrich spielt unzweifelhaft die Hauptrolle.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 277
da sie andere Ziele verfolgten, auch nicht bis zur letzten Grenze dessen vorgedrungen, was über den , Streit von Miihl- dori' und seine Handschriften wissenswert wäre.^ Immerhin erkennt man deutlich, wie sich auch in bezug auf die Über- lieferung die beiden Fassungen scharf voneinander abheben : die kürzere (D 1) findet sich, soviel bekannt, nur in solchen Handschriften, die zur österreichischen Annalistik des 13. Jahrhunderts in Beziehung stehen, die längere (D 2) dagegen zeigt eine ähnliche Verbindung mit jener Kom- pilation des 14. Jahrhunderts, die man seit Pe^ den Ano- nymus Leobiensis zu nennen pflegt. Für die erstgenannte Gruppe, die wenigstens zehn Vertreter aufweist,^ ergibt sich als Mittelpunkt, wenn auch kaum, wie Dobenecker annahm,, als Urbild, die berühmte Handschrift der Continuatio Vin- dobonensis, Cod. 352 der Wiener Hof bibliothek ; die zweite, anscheinend weniger zahlmiche Gruppe entbehrt eines so her- vorragenden Führers und reicht zeitlich nicht so hoch hinauf wie jene.^ Dieser Sachverhalt scheint der Absicht, aus den
1 Ich habe, soweit es mir unter den jetizigen Zeitverhältnissen möglich war, Einsicht in die Handschriften genommen und das Ergebnis bei dem Abdruck, unten Anhang IX, verwertet. Daneben haben mir große Hilfe gewährt die Abschriften und Kollationen, welche Herr Hof rat Prof. Seemüller, gewiß der berufenste Bearbeiter dieses schönen Denkmals, vor Jahren hievon anfertigte und mir jetzt zur Verfügung stellte. Ich kann ihm nicht genug danken für diese so wertvolle Unterstützung. Mehrere von jenen Handschriften hat auch Uhlirz in seiner Abhandlung über die Continuatio Vindobonensis, Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 1895, S. 18 ff. untersucht; über den Münchner Cod. Germ. 317 (Dobenecker a. a. 0. 205) vgl. auch Krones in den Mitt. des Inst. 7, 247 ff. und Uhlirz in den Festgaben zu Ehren Büdingers, 1898, S. 326 ff.
2 Aufgezählt von Dobenecker in den Mitt. des Inat., 1. Ergbd. 200 — 206, der aber die zweite in Cod. Vind. 8351 enthaltene Abschrift unbe- merkt ließ. Er bot für sechs Handschriften die Kollationen. Daß auch die von ihm an fünfter Stelle genannte Wiener Handschrift 3412, wo Dobeneckers Angaben es zweifelhaft ließen, ob sie unser Stück enthalte, es tatsächlich, und zwar f. 145' — 146' enthält, davon ver- gewisserte mich zunächst die freundliche Auskunft des Vizedirektors der k. k. Hofbibliothek, Herrn Regierungsrats Dr. Josef Don a- b a u m, für die ich auch hier herzlich danke.
2 Von den fünf Handschriften dieser Gruppe, die Dobenecker a. a. O. 206 ff. bespricht (die Signatur der zuerst genannten ergibt sich S. 215),
Archiv. 105. Band. U. Hälfte, 19
278 Die Berichte über die Sehlacht bei Mühldorf.
Überlieferiingsverhältnisseii ein Urteil über das Alter unserer Quelle zu gewinnen, ungünstig zu sein, weil es ja nach dem früher Gesagten besonders darauf ankommt, die Ent- sind vier neuerlich von F. Schneider im Neuen Archiv 29, 416 ff. beschrieben worden; die Kloster neuburger, die er hier sowie Doben- ecker als Handschrift 127 anführt, trägt nach der Ausgabe SS. rer. Germ., Johannes Victoriensis 1, XIV die Signatur 143; die Zwettler Handschrift 59, auch beschrieben in den Xenia Bernardina 2, 1891, 323, wie schon die Zeitbestimmung bei Dobenecker S. 213 ,s. XIV — XV erkennen ließ und mir eigene Einsichtnahme bestätigte, wohl die älteste ron diesen fünf, ist von Schneider (vgl. Ausgabe S. XV, Anm. 1) nicht benützt worden. Als secliste kommt hinzu Cod. Vind. 8221 (vgl. Dobenecker S. 207, Anm. 7, Schneider im Neuen Archiv 29, 420), der S. 464 — 473 den ,Streit' enthält, aber ebenso wie Cod. Vind. 8223 von dem Cod. Vind. 3445 abgeleitet ist. — Eine wertvollere, siebente Handschrift, die genau datiert ist und bisher unbe- kannt war, fand ich im Herbst 1915 (nach ganz anderen Dingen suchend) in der Studienbibliothek zu Salzburg V 1 Jb 271 ; sie enthält auf 281 Papierblättern sieben roh ausgeführte Minia- turen religiösen Inhalts und vers<;hiedene deutsche Stücke. Geschicht- lichen Inhalts sind nur f. 252 bis 259 der Streit von Mühldorf ,Uic
heht sich an der streyt so leimig Frid^^eich usw. . . . gewalticJileich
gen Borne etc.' und der Anfang der bei Pez SS. 1, 968 gedruckten Notizen über den Tod Kaiser Ludwigs, und zwar Z. 13 — 21 bei Pez. Der größte Teil der Handschrift und so auch dieser historische Teil rührt von einem einzigen Schreiber her, der sich und das Jahr seiner Tätigkeit an mehreren Stellen, f. 204, 251, 259 und 281, nennt, und zwar mit verschiedener Ausführlichkeit; am genauesten am Schluß f. 281: finitum in vigilia pentecostes 1443 jar Johannes Btainherger von Sprinzenstain. Der Wortlaut des Streits von Mühldorf entspricht der Fassung D 2 und er steht (vgl. Anh. IX, 1. Sp.) der von Zeibig benützten Kloster neuburger Handschrift sowie besonders jenem Zwett- ler Cod. 59 näher als dem Cod. Vind. 3445, den Dobenecker zu- grunde legte, kann aber nicht von dem Zwettler Cod. 59 abhängig sein (der Klosterneuburger dürfte schon des Alters wegen nicht als Vorlage in Betracht kommen), sondern muß mit ihm auf gemeinsame Vorlage zurückgehen. — Daß der Cod. Vat. 3769, auf welchen sich Kaynald, Ann. eccl. XV, 332 zur Schlacht von Mühldorf berief (vgl. Pfannenschmid in Forschungen zur deutschen Geschichte 3, 45, Anm.l), und auch Cod. Vat. 3679, wie Dobenecker a. a. O. 215, Anm. 3 sagt, unsere Erzählung und sonst Einschlägiges nicht enthalten, hat Herr Dr. Kovac, der auf meine Bitte hin im Herbst 1907 diese Hand- schriften ansah, festgestellt. Wohin die im Jahr 1908 in L. Rosen- thals Antiquariat in München (Catalogue 120 Nr. 13) angezeigte Handschrift des Anonymus Leobiensis (vgl. auch Neues Archiv 34,
II. .JiinfTftrf Dnr.stellung'en aus den beteilifiten Ländern. 279
stehuiigszeit von D 2, als der ursprüngliciieren Fassung, zu bestimmen, und weil gerade für diese keine einzige Hand- schrift zu Gebote steht, die mit Sicherheit vor dem Ende des 14. Jahrhunderts ang-esetzt werden könnte. Ja die Ver- bindung mit der wohl erst nach dem, Tod Johanns von Viktring (1345) zustande gekommenen und bis 1343 herab- reichenden Kompilation des Anonymus Leobiensis und mit den deutschen Notizen, die von Kaiser Ludwigs Tod an- heben, müßte, wenn wir nicht an den schon erwähnten inneren Merkmalen eine bessere Stütze hätten, die Vermutung wecken, daß J) 2 erst um 1346 entstanden wäre. Aber der Hinblick auf die Überlief er ungsweise von D 1 ist geeignet, solche Bedenken, zu denen die ungünstige Erhaltung oder ungenügende Kenntnis der Handschriften von D 2 führen könnte, zu beseitigen. Die Fassung D 1 ist nämlich in jener ältesten für sie in Betracht kommenden Handschrift, dem Cod. Vind. 352, nach dem Urteil von Uhlirz, durch den Wiener Stadtschreiber Walchun eingetragen worden,^ und Walchun hat auch andere Einträge in diesen Kodex gemacht, darunter zwei annalistische Stellen mit Bemerkungen über den Tod der österreichischen Herzoge Leopold (28. Februar 1326) und Heinrich (3. Februar 1327), über die beiden im Dezember 1326 und im März 1327 in Wien ausgebrochenen
215), welche den , Streit von Mühldorf' enthält, gekommen ist, ver- mochte ich trotz der auch von Prof. Steinherz in Prag freundlichst unterstützten Nachforschungen nicht festzustellen. ^ Uhlirz in den Blättern des Vereins für Landeskunde von Nieder- österreich 1895, S. 22, 27 ff., dazu desselben Forschers Darstellung in der vom Altertumsverein herausgegebenen Geschichte der Stadt Wien 2, 1898, 56; hier, Fig. 61, 62, und auf Tafel Vb Proben von Walchuns Schrift, über die von Uhlirz S. 29, Anni. 1 zwar nicht dem Stadtschreiber Walchun selbst, aber einem seiner Untergebenen zugeschriebene Einleitung des Wiener ,Eisenbuches' vgl. jetzt Sto- wasser in den Mitt. des Inst. f. österr. Geschichtsforschung, 10. Ergbd., 19 ff. und besonders 38 ff., wornach das Eisenbuch erst 1350 angelegt worden ist. An diesem einen Punkte sind daher auch die aus dem Nachlaß des fürs Vaterland gefallenen Ivo Luntz veröffentlichten Erörterungen über Walchun (Abhandlungen zur Gesch. und Quellen- kunde der Stadt Wien 1, 1916), S. 98 überholt; wohl aber findet man hier S. 97 eine Zusammenstellung der von Walchun geschriebe- nen Urkunden und Tafel 3 die Abbildung einer solchen.
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280 Die Berieht« über die Schlacht bei IMühldorf.
Brände und über den Tod seines eigenen Sohnes J3ar- tholomäus, der am 21. April 1327 als junger Mönch sein Leben beschloß.^ Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Einträge vom Jahr 1327 herrühren, daß also in diesem Jahr unsere Handschrift in Walchuns Händen war. Wie lange sie sein Besitz blieb, ist dadurch freilich nicht genau be- stimmt ;^ aber der umstand, daß jene annalistischen Einträge mit dem. Vermerk über Walchuns Sohn schließen und weitere Ereignisse, die sich in dem Gesichtskreis des Wiener Stadt- schreibers in den Jahren 1327 — 1329 zutrugen,^ nicht be- rücksichtigt sind, läßt doch vermuten, daß Walchun seit dem Sommer 1327 nicht mehr so bequeme Gelegenheit zur Fort- führung seiner historischen Tätigkeit oder nicht mehr so große Freude daran gehabt haben dürfte. Diese Erwägung würde es wahrscheinlich machen, daß auch die deutsche Er- zählung über den Streit von Mühldorf, wenn die Schrift- bestimmung von Uhlirz zutrifft, noch im Jahr 1327 von Walchun eingetragen wurde. Ist das richtig, dann muß, weil die von Walchun überlieferte kürzere Fassung (D 1) sich als die jüngere erwiesen hat, auch die längere Fassung (D 2) schon im Jahr 1327 vorhanden gewesen sein, dann rückt also die Entstehung des kleinen Werkes an die obere Grenze des Zeitraums heran, innerhalb dessen, wie wir oben sahen, sein Ursprung aus inneren Gründen gesucht werden muß. Wollen wir jedoch auf das mitten im Jahr 1327 einge- tretene Versiegen der annalistischen Tätigkeit Walchuns nicht so großes Gewicht legen, so können doch nur die Jahre 1327 und 1328 oder der Anfang von 1329 als Zeit für die Eintragung der jüngeren Fassung in den Cod. 352 in Be-
1 Mon. Germ. SS. 9, 722 Z. 22—39.
2 Die von Uhlirz zuerst ausgesprochene Meinung, daß Cod. 352 aus dem Besitz Walchuns ,bald in andere Hände übergegangen' und um 1340 ,an das Kloster Neuberg gekommen' sei (Blätter des Vereins 1895, S. 29), ist von ihm später (Gesch. der Stadt Wien 2, 56, Anm. 1) zurückgenommen worden; er dürfte sich vielmehr noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der Wiener Stadtkanzlei befunden haben.
^ Man vgl., was zu diesen Jahren die Melker Annalen, die dritte Z wettler, die siebente Klosterneuburger Fortsetzung und der Neu- berger Kodex vermerkt haben, Mou. Germ. SS. 9, 512, 668 f. und 755.
II. Jüngere Darstelluugen aus den beteiligten Ländern. 281
tracht kommen, weil Walchnn, wie wir aus einer Urkunde seiner Kinder wissen, spätestens im Jahr 1329 gestorben ist.^ So ergäbe auf jeden Fall die Überlieferungsweise der jün- geren Fassung eine enge Begrenzung auch für die Ent- stehungszeit der älteren: diese müßte in dem Zeitraum von 1327 bis 1329 entstanden und noch innerhalb derselben Spanne Zeit müßte aus ihr die jüngere Fassung abgeleitet worden . sein.^
1 Am Sonntag in der Osterwoche 1331 (April 7) bekennen ,Jacob, Walchun, Heinrich, Petrunich, Hermann und Alhait, Herrn Walchuens Kinder, des Stadtschreibers ze Wien, dem Gott genad', daß sie zu- folge Schiedsspruch des Grafen Albrecht von Hals und des Minder- bruders und herzoglichen Hofmeisters Weichart dem Kloster Fürsteu- zell von einem Weingarten zu Sievering das seit zwei Jahren ver- sessene und strittige Burgrecht zu zahlen schuldig seien, wie es ihr Vater Walchun und ihre Mutter Chunigiind gedient haben. Mon. Boica 5, 55 Nr. 62. Da das Versitzen und der hiermit geschlichtete Streit offenbar durch den Tod des Vaters veranlaßt waren, muß Walchun, wie Uhlirz in der Gesch. der Stadt Wien 2, 41 mit Recht folgerte, spätestens im Jahr 1329 gestorben sein. Dazu stimmt, daß die erste Urkunde von der Hand seines Nachfolgers im Wiener Stadt- schreiberamte vom November 1329 herrührt, vgl. Luntz a. a. 0. S. 99.
2 Es verdient aber Erwähnung, daß die Schrift unseres Stückes in dem Cod. 352 nicht so einheitlich aussieht, wie man nach der Bestimmung von Uhlirz erwarten würde. Nur die Überschrift Aiino domini b?s proxima, IX, 2 Z. 4—6, und die letzten 2^3 Spalten (f. 109' — 110) der Erzählung, wesen teere bis ledig (IX, 2 Z. 142 — 266) sind unter- einander und wohl auch mit den von Uhlirz herangezogenen Ein- trägen f. 72' und f. 64 zuverlässig gleichzusetzen; dagegen weisen die ersten S^/g Spalten der Erzählung (f. 108' — 109') Do lat man uizzen bis nie pezzer reifer ge (IX, 2 Z. 7 — 141) lichtere Tinte und eine wesentlich flüchtigere Schrift auf; ich vermag nicht zu ent- scheiden, ob das nur auf Unterbrechung der Arbeit desselben Schrei- bers oder auf zwei verschiedene Hände zurückgeht. Sollte die zweite Möglichkeit zutreffen, so könnte nur der Schreiber der Überschrift und des Schlusses mit Walchun gleichgestellt werden. Die Worte in Kernten (IX, 2 Z. 63) stehen im Cod. 352 am Zeilenschluß und in etwas größerer, weniger gedrängter Schrift als das Übrige; wenn auch das Pergament an dieser Stelle eine rauhere Beschaffenheit zeigt, so ist diese doch nicht so scharf begrenzt, daß deshalb auf Nachtragung dieser stilistisch (wegen des Fehlens der Konjunktion) anstößigen Stelle zu schließen wäre. Jedenfalls konnten die öster- reichischen Herzoge auch vor 1335 einzelne Kärntner Landherren
282 Die Berichte über die Schliulit. bei ^rülildorf.
Ist auf diese Art dank der Schriftbestimmung von Ulilirz ein fester Boden gewonnen, um zu bemessen, welcher Zeitabstand die Abfassung unserer Erzählung von dem kriegerischen Ereignis des Jahres 1322 trennte, so ist zu ihrer richtigen Bewertung doch auch ein Urteil über den Ort und die näheren Umstände ihrer Entstehung nicht zu entbehren. Für die von Böhmer, der nur die jüngere Fas- sung kannte, ausgesprochene und auch von Weech gebilligte Meinung, daß als Verfasser wahrscheinlich ein Salzburger anzusehen sei, lassen sich keinerlei ernste Gründe vorbrin- gen; gerade die Herkunft der ältesten Handschrift weist ja nicht, wie Böhmer geglaubt hatte, auf salzburgischen, sondern auf niederösterreichischen Ursprung und in dieselbe Eichtung weisen auch die anderen Handschriften der kür- zeren Fassung.^ Die längere aber bringt in ihrem dort weggelassenen Schluß einige Bemerkungen über Friedrichs Heimkehr nach Österreich, aus denen schon Weech auf öster- reichischen Ursprung geschlossen hat; der Empfang, der dem König in seinen Erblanden zuteil wurde, und die fünf- zehn Fuder Wein, die er von da seinem einstigen Wirt, dem Viztum Weiglein, nach Trausnitz sandte, können in der Tat nur in Österreich aufgezeichnet worden sein. Indem sich nun gerade die längere Fassung als die ursprüngliche erwiesen hat, von der kürzeren aber anzunehmen ist, daß
für ihren Dienst heranziehen; die Fürstenfelder Chronik (Anh. X, Z. 9) meldet ausdrücklich, daß das im Jahr 1322 geschehen sei, und auch andere, urkundliche Quellen, über die später zu sprechen sein wird, bestätigen es. ^ Gegen Böhmer, Fontes 1, XVIII und Weech in Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 87 vgl. Dobenecker a. a. O. 218, dessen Be- merkungen über den Cod. 352 dann durcli Uhlirz in den Blättern des Vereins für Landeskunde 189&, S. 21 ff. aufs genaueste ausgeführt worden sind. Wenn auch die Frage nach dem Entstehungsort der in dem Cod. 352 enthaltenen ,Continuatio Vindobonensis' nicht als gänzlich gelöst anzusehen ist, Avie selbst Uhlirz, Gesch. der Stadt Wien 2, 54 f. zugab (vgl. auch Redlich in Mitt. des Inst. f. österr. Geschichtsforschung 18, 215 f.), so kann doch gar nicht die Rede davon sein, daß die Handschrift zur Zeit Friedrichs des Schönen irgendetwas mit Salzburg zu tun gehabt hätte. Sie muß, wenn überhaupt die Signatur ,Salisb. 416' berechtigt ist, erst in den neueren Jahrhunderten nach Salzburg gebracht worden sein.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 283
sie sogleich durch die Hand des Wiener Stadtschreibers ge- gangen ist, so darf die Entstehung beider in Österreich als gesichert gelten. An Haltpunkten zu genauerer Ortsbestim- mung der ursprünglichen Form, wie sie schon Weech mit aller Zurückhaltung versuchte, fehlt es;^ ja man kann ge- radezu von auffälliger Beiseitelassung aller österreichischen Örtlichkeiten sprechen. Daß wir aus unserer Quelle nichts über den Anmarsch des österreichischen Heeres vor der Mühldorfer Schlacht erfahren, könnte durch die lange Zeit erklärt werden, die seither verflossen war; aber auch die unmittelbar oder ein Jahr vor der Abfassung erfolgten Vor- gänge bei Friedrichs Heimkehr entbehren jeder deutlich her- vortretenden örtlichen Farbe, wie man sie von einem öster- reichischen Berichterstatter erwarten sollte. Der merkwür- dige Umweg über Kärnten und Steiermark, den der König dabei einschlug, und die bemerkenswerten Orte, die er dabei berührte, sind nicht bloß unerwähnt, sondern es scheint dem Verfasser gar nicht gegenwärtig gewesen zu sein, daß er durch seine an eine Augsburger Zusammenkunft der Könige und Fürsten angeknüpften Worte do huh sich chunig Frid- reich auff und fuer zetal gen Österreich (IX, 1 Z. 298 — 300) die Vorstellung erwecken mußte, Friedrich wäre geraden Wegs von Bayern durchs Donautal nach Österreich gekom-
1 Weech meinte a. a. 0. 88, Anm. 1, daß die Begrüßung durch Entgegen- tragen des Kreuzes auf ein Kloster hinweise, und er zog mit Rück- sicht auf die handschriftliche Überlieferung und die Erwähnung des Kunringers das Stift KLosterneuburg oder auch das Kloster Zwettl als Entstehungsort in Betracht. Aber kirchlicher Empfang ein- ziehender Fürsten ist gewiß auch durch den weltlichen Klerus, nicht bloß in Klöstern erfolgt. Mau vgl. über ähnliche Empfänge in Magde- burg (1325) und Erfurt (1322?) Monum. Erphesfurtensia S. 348 und 354, dann Finke, Acta Arag. S. CXIV über den Empfang, der dem ersten Valois in Avignon 1330 durch die Kardinäle bereitet wurde, oder bei Böhmer, Fontes 1, 155 f., was die vita Ludovici über den Empfang in Regensburg (1322) und in Rom (1328) ausmalt. Die gegenüber Weech von Dobenecker S. 218 vertretene Annahme, daß der Ursprung in Wien zu suchen sei, ist von Uhlirz, Blätter des Vereins 1895, S. 28, Anm. 1 als nicht genügend begründet bezeichnet worden und sie verliert durch die geänderte Auffassung über das Verhältnis der beiden Redaktionen auch ihren scheinbaren, in den Wiener Beziehungen des Cod. 352 gelegenen Grund.
284 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
men. Mit keinem Wort ist ferner gesagt, wo man dem König mit dem Kreuz entgegenging, von wo er den Wein an Weiglein sandte. Ganz Österreich verschmilzt dem Ver- fasser zu einem einzigen Begriff, von dessen Teilen und Städten zu reden er nicht der Mühe wert hält. Nötigen also die früher erörterten Gründe zu der Annahme, daß die Erzählung in Österreich entstanden sei, so läßt dieser Mangel an engeren örtlichen Beziehungen vermuten, daß der Ver- fasser keine besonders lebhaften Verbindungen zu einzelnen Orten unterhielt oder solche absichtlich in seiner Erzählung zurücktreten ließ. Diesem Sachverhalt dürfte es am besten entsprechen, wenn wir ihn in der Um^gebung des heim- kehrenden Königs suchen. Von hier aus gesehen, mußte das Land, das den heimkehrenden Fürsten ehrenvoll empfing, als Ganzes erscheinen, so daß es keinen Anlaß gab, einzelne Städte oder Stifter besonders hervorzuheben.
Wer nun aber in der unmittelbaren Nähe Friedrichs des Schönen dessen Schicksal beschrieb, von dem ist wohl anzunehmen, daß er das nicht ohne Wissen und Willen des Königs tat, und so werden wir doch wieder zu der schon von Ottokar Lorenz geäußerten Meinung zurückgeführt, daß uns in dieser deutschen Quelle ein Bericht erhalten sei, der ,öster reichischer seits über die Schlacht von Mühldorf offiziell verbreitet worden ist^^ Hatte Lorenz ursprünglich zur Unter- stützung dieser Ansicht hervorgehoben, daß gerade in der Schlachtschilderung große Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Überlieferungen der Quelle herrsche, während das, was vorne und hinten dazugefügt sei, vielfach abweiche, so ist dieser Grund von Dobenecker mit Recht zurückge- wiesen worden;^ auch in der Schlachtbeschreibung selbst gehen ja die beiden Fassungen auseinander, und indem wir die weiter herabreichende Fassung als die ursprüngliche an- sehen, haben wir noch weniger als Dobenecker einen Grund, von angeblich vorne und hinten angehängten Teilen zu spre- chen; gerade nach dem hier erwiesenen Verhältnis der beiden Fassungen darf gesagt werden, daß unsere Quelle als ,zu-
1 Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen (1. Aufl.) S. 268, 2. Aufl. 1, 218. 2 Dobenecker a. a. O. 216 f.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 285
sammenhängende Darstellung der ganzen Königsrolle Fried- richs^ und nicht als Schlachtbericht allein entstanden ist. Aber damit ist die Frage der offiziellen Entstehungsweise nicht erledigt und Lorenz war daher ganz berechtigt, auch nach Dobeneckers Ausführungen an seiner Auffassung fest- zuhalten, wenn er nun auch die von den Überlieferungs- verhältnissen hergenommene Begründung fallen ließ.^ Er konnte immer noch ,die Mäßigung im Urteil^ und ,die Fern- haltung jedes leidenschaftlichen Ausbruchs gegen den FeindS welche hier ,im Gregensatz zu manchen bayrischen Berichten der gleichen Zeit^ zu beobachten sei, als zu seiner Ansicht stimmend anführen und er ersparte es sich vielleicht mit Absicht, die allgemeinen Gründe darzulegen, welche das Zu- standekommen eines offiziellen Berichtes in diesem Fall be- sonders wahrscheinlich machen. Naturgemäß mußte dem Heimkehrenden aller Oi-ten die Frage nach seinen Erleb- nissen entgegentreten; welches die Ursachen seiner Nieder- lage gewesen, wie man ihn in der Gefangenschaft gehalten, durch wessen Verdienst und unter welchen Bedingungen er ledig geworden sei, das wollte ohne Zweifel jeder wissen, der mit ihm in Berührung kam ; darüber Kunde zu erhalten, das war für die politisch tätigen Männer der österreichi- schen Erblande eine ernste Angelegenheit. Dem König aber mußte daran gelegen sein, dieses Bedürfnis so zu befriedi- gen, wie es seinem eigenen Vorteil ents-prach, um' wilden Gerüchten die Spitze abzubrechen.
Man könnte gegen die Annahme offizieller Entstehungs- weise unserer Quelle geltend machen, daß in ihr dem zur Zeit der Abfassung schon so weit zurückliegenden Schlacht- tag eine so breite, den Verhandlungen der letzten Jahre dagegen eine sehr kurz und unklar gehaltene Darstellung zuteil geworden ist; nur in dem letzten Viertel des Ganzen werden die Vorgänge seit dem Frühjahr 1325 abgetan, während mehr als die Hälfte dem Kampf von Mühldorf gilt. Und doch mußten die politischen Versuche und Ent- würfe der letzten Jahre, die nach Eiezlers ^ schönem Bild
^ Lorenz a. a. O. 3. Aufl. 1, 262. = Riezler, Geschichte Bayerns 2, 366.
286 Die Berichte über die Sclilacht bei Mühldorf.
, auf tget auch t und zerstoben^ waren ,wie Meereswellen, von denen eine die andere verschlingt^, nicht bloß das Herz des beweglichen Witteisbachers, sondern vielleicht in noch tiefe- rer Weise die Erinnerung des schwergeprüften Habsburgers erfüllen; und auch den ernsteren Kreisen dei- österreichischen Heimat werden gerade diese diplomatischen Vorgänge am meisten wissenswert erschienen sein. Aber es ist leicht denk- bar, daß in bezug auf diese Verhandlungen dem König Friedrich auch nach seiner Heimkehr große Zurückhaltung geboten schien. Von Anfang an waren die Unterhandlungen zwischen Ludwig und Friedrich mit besonderer Heimlichkeit geführt worden, man zog gleich bei den ersten Schritten der Versöhnung nur die Beichtväter der beiden Könige zu und hielt sonstige Käte fern; man hat weiterhin einen wichtigen Punkt des im Januar 1326 zu Ulm geschlossenen Vertrages, die Bestimmung nämlich, daß die päpstliche Bestätigung bis zum 25. Juli dieses Jahres eingeholt sein müsse, auf das sorgfältigste vor dem Papst und der Mehrzahl der Eeichs- fürsten verheimlicht; erst für den März 1327 scheint ihre Veröffentlichung geplant gewesen zu sein, abef wir wissen nicht, bis zu welchem Grad sie ausgeführt worden ist.^ Als die beiden ehemaligen Gegner im Januar 1327 zu Innsbruck voneinander gingen, dürfte wenigstens Friedrich die Unter- handlungen noch nicht als beendigt angesehen haben,^ wie er denn auch noch 1328 einen neuen Versuch machte, die päpstliche Genehmigung zu erlangen,^ und die Beurteilung seiner Stellung zu Ludwig und zu der Kurie auch auf das Verhältnis zu seinem Bruder Otto einwirkte.^ Unter
^ Vgl. Preger iu den Abhandlungen der liist. Klasse der kgl. bayri- schen Akademie der Wissenschaften 17, 1, 1883, 112 f. (wo zu den Zeugnissen der Chronisten eben noch unsere Quelle und Heinrich der Taube, Böhmer, Fontes 4, 515, welche beide die Beiseitelassung des Eates erwähnen, nachzutragen sind), dann S. 132 f. und 148 ff. Die von Friedensburg, Ludwig IV. und Friedrich von Österreich 1325—1326 (Göttinger Dissertation 1877), S. 39 und nach ihm von Kiezler, Geschichte Bayerns 2, 361 angenommene geheime Überein- kunft von Anfang Juli 1325 wird von Preger a. a. 0. S. 109 ab- gelehnt; vgl. aber Schwalm in Mon. Germ. Leg. IV, 6 zu Nr. 29.
2 Vgl. Preger S. 157. ^ Friedensburg S. 76.
• Huber, Geschichte Österreiclis 2, 143 f.
TT. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 287
solchen Umständen konnte es für den österreichischen Hof geraten sein, über die Verhandinngen der letzten Jahi-e möglichst wenig zu verlautbaren. Vielleicht erklären sich auf diese Weise einige der auffälligsten Lücken und IJn- genauigkeiten, die unsere Quelle hier aufweist, die gänzliclie Übergehung von Friedrichs erster, im Frühjahr 1325 er- folgter Reise nach Österreich sowie die der Innsbrucker Zusammenkunft von 1327, das Verschweigen der auf die ])äpstliche Bestätigung bezüglichen Bestimmung des Ulmer Vertrags sowie aller in dieser Hinsicht unternommenen Schritte und die unzureichende Erklärung, die dem zornigen Aufbruch des Böhmenkönigs vom Augsburger Tag gegeben wird. Bei solcher Zurückhaltung ließ sich kein richtiges Bild von den diplomatischen Vorgängen schaffen; man hatte die Wahl, sie künstlich zuzustutzen oder aber gänzlich von ihnen abzusehen. Die längere Fassung hat den einen, die kürzere aber den andern Weg gewählt. Und so braucht es kein Zufall zu sein, daß diese kürzere früher und in weiteren Kreisen verbreitet wurde als die ursprüngliche. Man mag gerade um der noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen willen es vorgezogen haben, das, was hierüber in dem ersten Entwurf gesagt war, zu streichen und zunächst durch die verkürzte Fassung nur die Geschichte des Krieges einer Aveiteren Öffentlichkeit bekanntzugeben. Hier ist denn auch, entsprechend der vereinbarten gemeinsamen Herrschaft, dem Witteisbacher, wie sich's gehörte, der Königstitel bei- gelegt worden und der Wiener Stadtschreiber mag einer der ersten gewesen sein, dem man die so zugerichtete Darstellung in die Hand gab. Die ursprüngliche Fassung aber, in der die wahre Gesinnung gegen Ludwig recht unverhüllt zum Ausdruck kam, Avurde zuerst nur wenig bekannt und blieb in den Akten der Kanzlei oder in persönlicher Verwahrung der habsburgischen Fürsten für spätere Zeiten erhalten, bis sie lange nach Friedrichs Tod dem Abt Johann von Viktring, in dessen Werk die ersten Spuren von der längeren Fassung des Streites auftauchen, von Herzog Albrecht oder einem seiner A^ertrauten Räte zugänglich gemacht wurde. Entweder war es dieser Geschichtschreiber selbst oder ein unbekannter Bearbeiter seines Werkes, der sogenannte Anonymus Leo-
288 Die Bericht« über die Schlacht bei Mühldorf.
Mensis/ der dann von ihr die erste Abschrift nahm, auf welcher die uns heute vorliegenden Überlieferungen beruhen. Haben also die Beziehungen zu Ludwig dem Bayern offenbar auf die Gestaltung und Veröffentlichungsart der deutschen Erzählung eingewirkt, so würde es hier doch zu weit führen, wollte ich zeigen, wie im einzelnen der in der ursprünglichen Fassung enthaltene Bericht über die Ver- handlungen von 1325 bis 1327 zu deuten ist und was sich an neuer Erkenntnis aus dieser für solchen Zweck bisher fast unbenutzten Quelle etwa gewinnen läßt.^ Hier kommt es nur auf Beurteilung des eigentlichen Schlachtberichtes an. Sein Wert wird durch die zeitliche Entfernung und auch durch den Zweck der ganzen Darstellung einigermaßen gemindert. Der Verfasser arbeitete ungefähr fünfthalb Jahre oder in noch etwas größerem Zeitabstand von dem Ereignis; auch wenn er als Augenzeuge dem; Kampf beigewohnt haben sollte, so schöpfte er doch nicht mehr aus ganz frischer Er- innerung, sondern aus den Gedächtnisbildern, die durch wiederholtes Erzählen lebendig erhalten, dabei aber vielleicht
^ Auch dem Anonymus könnte ja die längere Fassung zugänglich ge- wesen sein, wenn er, wie Schneider im Neuen Archiv 29, 428, Anm. 1 vermutet, in Wien oder in dessen Nähe tätig war. Über die Be- nützung der kürzeren Fassung in der Zwettler Fortsetzung, der längeren durch Johann von Viktring vgl. unten.
2 Weder Friedensburg noch Preger haben von ihm Gebrauch gemacht, obwohl jenem der Druck von Zeibig im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 9, 1853, S. 364 f., diesem sogar schon der von Dobenecker in Mitt. des Inst., 1. Ergbd., 1883, 212 f. zu Gebote ge- standen hätte. Herangezogen hat unseren Bericht bei Schilderung der Verhandlungen nur Besser, Ludwig der Bayer und Friedrich von Österreich im März und April 1325, Beilage zu der 83. Nachricht von dem Friedrichs-Gymnasium zu Altenburg, 1890; aber indem er alles, was die deutsche Erzählung über Friedrichs Freilassung meldet, in den Monaten März und April 1325 unterzubringen versuchte, ist er zu einer unhaltbaren Deutung seines Inhalts gelangt. Vgl. die Ein- wendungen, welche Priesack. Reichspolitik des Erzbischofs Balduin (Göttingen 1894), S. 184 f. gegen Besser erhoben hat. Es würde sich jedoch verlohnen, ausführlicher darzulegen, wie sich die von unserer Quelle berichteten Einzelheiten mit dem anderweitig bezeugten Gang der Verhandlungen zwischen Ludwig und Friedrich vereinigen und auf die Jahre 1325 bis 1327 verteilen lassen.
Tl. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 289
in künstliclie Beleuchtung gerückt worden waren. Sehr zu beachten ist ferner das in unserer Quelle mehrfach bemerk- bare Streben, die Verantwortung für die Niederlage des österreichischen Heeres festzustellen. Bei der gegen die vor- zeitige Flucht der ,Ungarn und Heiden^ gerichteten Be- merkung (IX, 1 Z. 1761; IX, 2 Z. 124—126) haben wir uns des ungünstigen Verhältnisses zu erinnern, das in den letzten Jahren Friedrichs zwischen ihm und seinem Oheim Karl von Ungarn bestand.^ Es ist denkbar, daß schlechte Erfahrungen, die man erst in dieser Zeit mit den östlichen Nachbarn machte, jene nachträgliche Beschuldigung hervor- gerufen oder verstärkt haben. Noch auffallender und be- denklicher ist die wiederholte Klage gegen die Landherren ; mögen sich einige von ihnen bei dem Zuzug verzögert und sich räuberische Übergriffe haben zuschulden kommen lassen, so kann das doch kaum, wie beide Fassungen, die jüngere sogar noch in deutlicherer Weise, behaupten,^ die Ursache gewesen sein, weshalb die Heere Friedrichs und Leopolds nicht zusammentrafen; es müßte denn sein, daß dabei an die sehr unsichere Möglichkeit eines Zusammentreffens im westlichen Bayern gedacht war, die Ludwig wohl auch dann verhindert haben würde, wenn Friedrich um einige Tage oder Wochen früher am Inn erschienen wäre. Wahrschein- lich hat nur die Absicht, den Landherren die Schuld auf- zuwalzen, zu dieser Bemerkung geführt. Einen schweren Vorwurf gegen die Kämpfer auf österreichischer Seite spricht die längere Fassung dort aus, wo sie von dem abendlichen Umritt des Habsburgers und seines Marschalls berichtet; auf die Mahnung des Königs, am nächsten Tag ihre Treue zu beweisen, sollen die angeredeten Herren gute Versprechun-
^ Vgl. Huber, Geschichte Österreichs 2, 144.
2 Anh. IX, 1 Z. 56 — 59 ist von den lantherren von Osterreich und ihrem Säumen durch rauhes willen die Rede; man könnte hier etwa noch an österreichische Landherren in Schwaben denken. IX, 2 Z. 58 sind aber die Worte in dem lande ze Osterrich so gestellt, daß die an- geblichen Räubereien unbedingt auf Österreich selbst bezogen werden müssen, und der Vorwurf ist durch die nur hier vorkommenden Worte mit willen (Z. 56) wesentlich verschärft; vgl. oben S. 273 i. Anm. 3. \
290 Die Berichte über die Schlaclit bei Mülildorf.
gen gegeben haben, der J^^rzähler aber fügt bei das leider nicht gesell acli. Diese Stelle ist in der jüngeren Fassung getilgt und auch die tapfere Haltung der Herren in der Schlacht wird nun ohne die ursprünglich hier ausgesprochene Einschränkung gerühmt. Aber immer noch erscheint als besonders schuldbelastet ein ncmiloser Herr hi Österreich, den onan doch wol erjcennet, (wann oder) tvo man ihn 7iennet, weil er dem schon zu Boden geworfenen Böhmenkönig wieder aufgeholfen.^ Solche deutlich genug auf Verrat in den eigenen Reihen hinzielende Vorwürfe dürfen wohl kaum als vollgültige Beweise genommen werden; sie können auch im Sinn einer Drohung gegen den der landesfürstlichen Gewalt nicht fügsamen Teil des heimischen Adels verstanden werden, und das um so eher, als ja ein Teil der Landherren sich damals mit dem Habsburger Otto geg&n Friedrich er- hob.^ In gewissem Sinn erscheint freilich auch Friedrich selbst nach dem Wortlaut unserer Quelle als mitschuldig an seiner Niederlage; er hatte die besten Landherren in Öster- reich und Steier im Land zurückgelassen und den Kampf gesucht trotz der sichtbaren Überlegenheit des feindlichen Heeres, ungeachtet der abmahnenden Stimmen, die sich im letzten Augenblick von berufener Seite dagegen aussprachen. Diesen auf Friedrichs eigenes Haupt fallenden Vorwürfen kommt nach der Natur der ganzen Quelle verstärkte Glaub- Avürdigkeit zu. Der König selbst ist und bleibt der Verant- wortliche, aber seine Beweggründe, das Erbarmen mit Wit- wen und Waisen, der Wunsch, dem Streit ein Ende zu setzen, sind in so edler Weise gezeichnet, seine im Kampf bewiesene Tapferkeit wird in so hohen Worten gerühmt, daß der Bericht über sein herbes Schicksal zu einem Loblied wird, das noch uns ergreift und die Zeitgenossen, auf die es wirken sollte, von neuem für Friedrich gewinnen mußte. Das paßt vorzüglich zu der von Lorenz zuerst ausgesproche- nen Annahme offiziellen Ursprungs und es begrenzt zugleich den Quellenwert des Ganzen. Bei jedem Wort in dieser
1 Anh. IX, 1 Z. 107 und Z. 162—164; IX, 2 Z. 163—166; vgl. oben
S. 273 f., Anm. 3. 3 Huber a. a. O. 2, 143 f.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 291
lebensvollen Schilderung* werden wir uns der Ke(»litferti- gungsabsicht, aus der sie hervorgegangen war, zu erinnern haben, zugleich aber des Umstands, daß ihr Verfasser in der Lage gewesen sein wird, sich von den Führern des öster- reichischen Heeres über den Hergang unterrichten zu lassen. Mancherlei üngenauigkeiten sind mat der Annahme solcher Entstehungsweise verträglich. Unrichtige Angaben über die Dauer des Kampfs der Gegenkönige und der Ge- fangenschaft sind, wie wir schon oben S. 272 f. annahmen, in der kürzeren Fassung vielleicht deshalb geändert, weil man des Fehlers gewahr wurde; aber es kam für den Er- zähler, gerade wenn wir ihn nicht als Chronisten, sondern als politischen Schriftsteller ansehen, auf Genauigkeit in dieser Hinsicht gar nicht an. Auffälliger sind Unrichtig- keiten in den Orts- und Flußnamen in einem unter Ein- wirkung hervorragender Mitkämpfer entstandenen Schlacht« bericht. In der kürzeren Fassung ist das Schlachtfeld, wel- ches in der längeren als oberhalb Mühldorf gelegen bezeich- net wird (IX, 1 Z. 41), irrig oberhalb Landshut verlegt. Und in dem Namen des kleinen Flusses, an dem der Kampf stattfand, gehen die Handschriften der kürzeren Fassung gänzlich auseinander, sie lassen ihn teils aus, teils nennen sie ihn Ysent oder Yser, teils sogar Nab und eine gibt den in der längeren Fassung durchwegs beibehaltenen Namen Empfing,^ offenbar, weil in der ursprünglichen Niederschrift für diesen Namen eine Lücke gelassen war, welche erst nach- träglich nach näherer Erkundigung oder nach dem Gut- dünken der Abschreiber ausgefüllt wurde. Ein solcher Vor- gang findet in der Nachtragung zweier Namen in dem Auto- graph des Abtes Petrus von Königsaal sein Gegenstück ^ und er dürfte, selbst wenn er da oder dort zu Irrtümern Anlaß gab, doch nicht als ein Zeichen von Unzuverlässigkeit des ganzen Schlachtberichts, sondern vielmehr als ein Beweis
1 Vgl. unten Anh. IX, 2 Z. 43, Aum. 15; die Lesart der Kloster- neuburger Handschrift 691 haizzt EmpJiing etc. erweist sich, weil deren Vorlage, Cod. Vind. 3422 (K), gar keinen Namen angibt, als ein willkürlich aus einer Handschrift der längeren Fassung herge- nommener Zusatz.
'' Vgl. oben S. 265.
292 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
dafür angesehen werden, daß es dem Verfasser um ein rich- tiges Bild des kriegerischen Hergangs zu tun war. Gehen auch in mehreren anderen Punkten die beiden Fassungen auseinander, so wird zugunsten der längeren zwar ihre Ur- sprünglichkeit, zugunsten der kürzeren aber ihre aller Wahr- scheinlichkeit nach amtlich erfolgte frühere Verlautbarung ins Gewicht fallen. Jene wird ein erster Entwurf gewesen sein, der in mancher Hinsicht noch der Veränderung und Zu- stutzung bedurfte, ehe man damit vor die Augen einer breite- ren Öffentlichkeit treten konnte. Für die durch diese Über- prüfung entstandene kürzere Fassung, in die sich freilich stellenweise auch Versehen einschlichen, übernahm der Ver- fasser und wohl auch sein hoher Auftraggeber die Verant- wortung; was hier steht, haben wir als die offizielle Auf- fassung anzusehen, die der österreichische Hof nach Fried- richs Heimkehr vertreten wollte.
Für den Sieger von Mühldorf gab es keinen so dringen- den Anlaß, vor breiter Öffentlichkeit über den Krieg mit seinem Gegenkönig ausführlicher zu berichten; er konnte sich fürs erste mit kurzen Siegesmeldungen begnügen und sonst mit dem Waffenerfolg und mit den Früchten zufrieden sein, die sich daraus ergaben. Aber Ludwigs Anhänger wer- den doch auch bald das Bedürfnis nach Geschichtsdarstellun- gen empfunden haben, welche die Schatten in dem Bild ihres Königs verdecken und seinen kriegerischen Ruhm hell leuchten lassen sollten. Das unrühmliche Zurückweichen des bayrischen Heeres bei Burgau, der nicht befriedigende Aus- gang des Eomzuges, die heftige Feindschaft des Papstes und vielleicht auch das Bekanntwerden jenes von österreichischer Seite verbreiteten Berichtes nötigten die Kreise, die zu Ludwig hielten, die Feder zu seinen Gunsten zu führen und dabei von dem Sieg von 1322, dem Glanzpunkt des sonst vielfach getrübten Bildes, ausführlich zu sprechen. So sind Schilderungen der Regierungszeit Ludwigs entstanden, die auch für unseren Zweck in Betracht kommen.
An erster Stelle ist unter diesen bayrischen Darstellun- gen der Schlacht von Mühldorf der Bericht der Fürsten- felder Chronik zu nennen, also die Schlachtschilde- rung jener von Rudolf von Habsburg bis zum Tod Herzog
11. Jüugeie Darstellimgen aus deu beteiligten Läudeiu. 293
Leopolds (1278 bis 132G) reichenden Gescliichtserzählung, die in einer Handschrift des Klosters Aldersbach überliefert, aber in dessen Tochterkloster, der wittelsbachischen Zister- zienserstiftung I'ürstenfeld entstanden und unter dem Namen , Chronica de gestis principum^ bekannt ist. Der 1314 verstorbene Abt Volkmar, dem man einst diese Quelle zuschrieb/ kann, da es sich um ein ganz einheitliches Werk handelt, hier nicht als Verfasser in Betracht kommen; das ist längst erkannt worden; ob wir aber dem: mehrfach als Wirtschaftsbeamten bezeugten Mönch Grimold oder dem als ileii^iger Bücher seh reiber bezeugten Heinrich von Bibrach die Autorschaft zuzuschreiben haben, wird, solange nicht eine neue paläographische Untersuchung der Fürstenfelder Denk- mäler erfolgt, wohl unbeantwortet bleiben müssen. Erst dann wird vielleicht zu entscheiden sein, ob die Abfassung schon 1326 oder etwa erst um 1329 geschah.^ Jedenfalls steht dieses
^ Oefele, SS. rer. Boic. 2, 524 und lange vor ihm Nikolaus Burgundus, Historia Bavarica (Helmstädt 1705) S. 55 haben Volkmar als Ver- fasser angesehen und daher, was der Verfasser von sieh erzählt, auf Volkmar bezogen.
2 Böhmer, dem wir bisher die beste Ausgabe (Fontes rer. Germ. 1, 1 bis 68) verdanken (eine Neuausgabe in den SS. rer. Germ, ist er- freulicherweise von G. Leidinger in Aussicht, Neues Archiv 40, 6), meinte S. XII, man könnte die Schrift, in der die Chronik überliefert ist, leicht für älter halten als das Jahr 1326, um so gewisser sei die Abfassung gleichzeitig. Wiehert hat sich in den Forschungen für deutsche Geschichte 16, 34 ff. für Abfassung um das Jahr 1329 ent- schieden; Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen 1^, 203 und Mar.tin Mayr im Oberbayrischen Archiv 36, 1877, 128 sind ihm ge- folgt und haben noch bestimmter als er in dieses Jahr den Beginn der Arbeit, bzw. die Abfassung des Werkes verlegt. Dagegen hat Sepp im Neuen Archiv 23, 1898, 562 ff. sich dahin ausgesprochen, daß die Niederschrift spätestens im Jahr 1326 erfolgt sei. Gegen ihn ist einzuwenden, daß das Ende des uns vorliegenden Textes der Chronik noch nicht der wirkliche Schluß der Erzählung sein muß, die uns ja nicht in der Originalhandschrift vorliegt, und daß die Anwendung des Präsens bei diesem Autor durchaus nicht immer auf Fortdauer des gemeldeten Zust<ands schließen läßt, wie denn 1326 der Zwist der Gegenkönige doch einigermaßen beigelegt war. Ganz in der Luft hängt die vom Tod des angenommenen Verfassers Gri- mold (16. März 1327) hergeleitete Zeitbestimmung; denn bekannt ist nur der Tag seines Todes (Mayrs Berufung auf Clm. 1057 scheint
Archiv. 105. Bd. U. Hälfte. 20
294 Die Beridite über die «chliuht bei Mülildorf.
Werk der oben besprochenen deutschen Erzählung zeitlich recht nahe, es unterscheidet sich aber von ihr in jeder an- deren Hinsicht. Die lateinische Sprache geht mit einer durchaus geistlichen Auffasung Hand in Hand, von der in der deutschen Quelle keine Spur zu finden ist, und im Gegensatz zu dem habsburgischen Standpunkt des ,Streites^ kommt hier die bayrische Gresinnung in ganz erstaunlicher Festigkeit und Schärfe zum Ausdruck; die Worte, in denen der Chronist, von seinen eigenen Drangsalen sprechend, be- zeugt, er habe sie leicht getragen, da er die Flucht der Feinde und den glänzenden Sieg seines Königs sah,^ sind oft und mit Eecht als ein hervorragendes Zeugnis für die Anteilnahme auch der geistlichen Kreise an Ludwigs Glück angeführt worden. Es liegt in der Tat kein Grund vor, die Echtheit dieser Parteigesinnung oder die Tatsachen zu be- streiten, in deren Zusammenhang sie zum Ausdruck kommt. Der Chronist war Zeuge des Eückzuges, den das von Schwa- ben herangezogene und nur wenig über Fürstenfeld hinaus- gekomimene Heer Herzog Leopolds auf die Nachricht von der Niederlage und Gefangennahme seines Bruders antrat. Er nennt den Hof, den er damals selbst zu bewachen hatte, er bezeichnet den Lagerort des herzoglichen Heeres, er weiß, daß bei der ersten Kunde von einer vorgefallenen Nieder- lage zwei Edelleute auf den besten Pferden nach München ritten, um die Wahrheit zu erfahren, und daß, sobald die l^estätigung eintraf, von dem österreichischen Heer eiligst und unter Brandstiftung der Heimweg angetreten wurde.
nicht zuzutreffen, da der Druck des dort enthaltenen Fürstenfeldei Nekrologs Mon. Germ. Necr. 3, 97 den Namen Grimolds nicht bietet; vielleicht schöpft Mayr aus dem älteren Fürstenfelder Nekrolog in Clm. 6915, welches Baumann für die Mon. Germ, nicht benützt zu haben scheint), das Jahr 1327 ist eine bloße Vermutung Mayrs a. a. 0. S. 87, begründet nur dadurch, daß Grimold zuletzt am 15. Juni 1326 urkundlich genannt wird; aber da auch für 1323 bis 1325 Belege fehlen, steht nichts im Weg, sein Todesjahr weiter her abzurücken. ^ Que tarnen, omnia parvi pendi, cum viderem illos versos in fugam et regem nostrum noMliter triumphasse, Böhmer, Fontes 1, 63, Z. 23 — 25. Der ganze hier einschlägige Abschnitt der Quelle ist unten im Anh. X wiederholt; die angeführte Stelle X Z. 137 f.
IL Jüngere JJarwtelluugen aus den beteiligten Landern. 295
Das alles ist anschaulich erzählt und es konnte ja den Augen des Chronisten nicht entgehen. Zu bezweifeln ist dennoch die Aussage, wornach der über Zurückhaltung von Boten erbitterte Herzog den Befehl zur Verbrennung und Ver- wüstung Fürstenfelds gegeben und nur des Marschalls Wider- stand das Kloster vor diesem Schicksal bewahrt habe;^ es ist unwahrscheinlich, daß man über solche unausgeführte Absichten in dem Stift die Wahrheit erfahren hätte, aber der Verfasser scheut sich auch sonst nicht, über Pläne zu reden, in die er nicht leicht eingeweiht sein konnte,^ und in unserem Fall ist es besonders erklärlich, daß die Auf- regung der Stunde übertreibende Gerüchte über die* Gefahr erzeugte, in der man geschwebt hatte. Ernster zu nehmen ist des Chronisten an zwei Stellen wiederholte Nachricht, daß Boten, welche zwischen Leopold und Friedrich eine Verständigung bewirken sollten, gerade in der Nähe von Fürstenfeld ihrer Pferde beraubt, ihren Auftrag nicht aus- führen konnten; der Verfasser verfehlt zwar nicht, die Be- deutung dieses Umstands für das Scheitern der österreichi- schen Pläne hervorzuheben, so daß man etwa an eine Ent- stellung der Wahrheit denken könnte, die auf Hervorhebung des für stenf eidischen Verdiensts berechnet w^ar; aber wenn das seine Absicht gewesen wäre, würde er nicht zuerst den Zufall für den Verlust der Pferde verantwortlich gemacht,^ sondern sogleich mit deutlichen Worten den Anteil des Klo- sters an diesem Vorgang gerühmt haben. Die etwas rätsel- hafte Art, wie er davon spricht, erweckt eher den Eindruck, daß er selbst in die Sache nicht ganz eingeweiht war, und deshalb müssen auch wir darauf verzichten zu entscheiden, ob hier nur der Zufall gespielt oder ob das gut bayrisch gesinnte Kloster mit bewußter Absicht und vielleicht unter
i Gefolgt sind der Nachricht Pfannenschmid in Forschungen zur deut- schen Geschichte 3, 72, Riezler, Geschichte Bayerns 2, 340, Dobeu- ecker in Mitt. des Inst., 1. Ergbd., 195.
2 Man vgl., was er über die auf Vertreibung Ludwigs aus seinem Land oder auf seine Tötung oder seine Einschließung durch die Heere Friedrichs und Leopolds bei Beginn des Feldzugs angeblich gehegten Pläne der Österreicher einherschwätzt, Böhmer 1, 59 f.
3 Vgl. Anh. X, Z. 58—61 und Z. 115—118.
20*
296 Die Bericlite über die Schlacht bei Mühldorf.
dem Schein des Zufalls eine bedeutende militärische Maß- regel durchkreuzt hat.-^ Die Tatsachen aber, die der un- beteiligte Zuschauer aus nächster Nähe beobachten konnte, sind in dieser Chronik gewiß richtig dargestellt und so müssen wir sie als die vorzüglichste Quelle für die Be- wegungen des schwäbisch-österreichischen Heeres dankbar benützen.
Eine andere Frage ist es jedoch, ob das bei diesen Ereignissen berechtigte Vertrauen ohne weiteres auch auf den eigentlichen Schlachtbericht der Chronica de gestis prin- cipum zu übertragen ist, da ihr Verfasser dem Kampf selbst doch weit ferner stand als jenen Vorgängen, die sich vor den Mauern seines Klosters abspielten. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß ihm Nachrichten aus Niederbayern und besonders aus dem Kloster Aldersbach zur Verfügung stan- den, woher einst die ersten Mönche nach Fürstenfeld ge- kommen waren und wohin auch die Handschrift unserer Chronik frühzeitig gelangt ist. Darauf wird es zurück- gehen, daß er den Anteil des niederbayrischen Fußvolks an der Schlacht auffällig hervorhebt und gerade von jenen Ge- fangenen, die Ludwig seinem niederbayrischen Vetter über- ließ, etwas genauer Bescheid weiß.^ Aber solche Verbindun- gen geben noch keine Gewähr für die Zuverlässigkeit des Gesamtbildes der Schlacht, das durchaus als ein Werk des
1 Die allzu sichere Auslegung, die Pfanuenschmid a. a. 0. 51 unter Mitverwenduug einer jüngeren Quelle (Johanns von Viktring) diesen Vorgängen gab, ist teilweise schon von Weech, Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 91, bestritten worden, hat aber doch Würdin- ger in den Sitzungsberichten der bayr. Akademie, phil.-hist. Klasse 1872, 469, Köhler, Entwicklung des Kriegs.wesens 2, 287, und sogar Riezler, Geschichte Bayerns 2, 334 zu unvorsichtigen Folgerungen verleitet, die Dobenecker a, a. 0. 176, Aum. 2 mit Recht zurückweist. Um zu beurteilen, ob die Störung im Botenverkehr eine tatsächliche Wirkung übte, was Riezler und Dobenecker ablehnen, müßte man den Zeitpunkt kennen, an dem die Boten abgesandt und aufgehalten wurden; das ist aber nicht der Fall.
2 Anh. X Z. 77 — 81, 98 — 102. Aldersbach, 10 km südwestlich von Vils- hofen, wird mit dieser Stadt in regerem Verkehr gestanden haben und lag auch nicht zu ferne von Landshut und Pfarrkirchen, zwei Hauptsitzen des niederbayrischen Herzogtums.
n. Jüngere Darsiollungeu aus deu beteiligten- Ländern. 297
Fürstenfelders anzusehen ist. Weech meinte, daß das, was der Chronist hierüber meldet, ,ohne Zweifel richtig^ sei. und er beklagte nur, daß es sich mehr auf die Lage des Könige und die vorhergehenden und folgenden Ereignisse als auf die Schlacht selbst beziehe.^ Es wird aber doch nötig sein, hier vorsicKtiger vorzugehen und die Beschaffenheit und den Wert der ganzen Quelle in Rechnung zu ziehen.
Von zwei Seiten ist die Chronica de gestis principum kritisch behandelt worden. Theodor Wiehert hat die auf ihre Entstehungszeit und Autorschaft bezüglichen Fragen erörtert und sodann wenigstens den zweiten, geschichtlich wertvolleren Teil der Quelle im einzelnen auf seinen Gehalt geprüft und ein Urteil über die Sachkenntnis des Verfassers gefällt; er hat den örtlich enge begrenzten Gesichtskreis nachgewiesen, festgestellt, daß der Verfasser nur über die äußeren Ereignisse, nicht aber über die diplomatischen Vor- gänge unterrichtet ist, und gezeigt, daß ihm auch in der Darstellung jüngstvergangener Dinge, so bei den Bewegun- gen der Gegenkönige nach dem Zusammentreffen an der Breusch im Herbst 1320 und dem Wieder ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Ludwig und Leopold im Früh- jahr 1324 sehr auffällige Fehler unterlaufen sind.^ Im Zu- sammenhang mit der übrigen historiographischen Tätigkeit der Fürstenfelder ist unsere Quelle von Martin Mayr be- sprochen worden.^ Indem dieser den verdienstlichen Ver- such unternahm, aus Aventins Annalen und aus der erhalte- nen Chronica die heute verlorenen, zu Beginn des 14. Jahr- hunderts in Fürstenfeld geführten gleichzeitigen Annalen wiederherzustellen, wurde er zu einer genaueren Betrach- tung der Arbeitsweise unseres Autors geführt, die für seine Beurteilung im allgemeinen und für unseren Zweck im be- sonderen wertvoll ist. Zu wiederholten Malen hat hiebei Martin Mayr hervorgehoben, daß sich unsere Quelle von anderen mit ihr verwandten Darstellungen durch den Man-
^ Weech in den Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 83, dem auch
Wiehert ebenda 16, 54 f. sich anschließt. 2 Forschungen zur deutschen Geschichte 16, S. 40 — 56. ' Martin Mayr, Zur Kritik der älteren Fürstenfelder Geschichtsquellen
im Oberbayrischen Archiv 36, 1877, 75 ff.
298 Die Berichte über die Schlacht, bei INrUhldorf.
gel an Schärfe und durch eine starke Vorliebe für allgemeine Ausdrücke unvorteilhaft unterscheide.^ Am ; deutlichsten drückt er seine Ansicht dort aus, wo er die Benützung einer Stelle aus Martin von Troppau durch den Chronisten be- spricht. Mit Eecht nennt Mayr diesen Fall bezeichnend da- für, ,wie wenig Geschick^ der Chronist ,hatte, fremdes ab- schriftlich niedergelegtes Material zu verarbeiten. Was Mar- tin von Troppau zwar irrig, aber ganz kurz gibt, das er- weitert der Fürstenfelder Mönch durch Häufung religiöser Eedensarten zu einer breiten und doch wenig sagenden Er- zählung^^
Ist ein solches Urteil berechtigt, so verlohnt es sich doch auch, den Mühldorfer Schlachtbericht der Chronica de gestis principum in dieser Eichtung näher zu betrachten. Vergleichen wir ihn zu diesem Zwecke mit den Stellen, in denen der Verfasser über andere Kriegsereignisse handelt, so namentlich über die Schlachten bei Dürnkrut und bei Göllheim und über das Treffen von Gammelsdorf, so ergibt sich sofort eine höchst auffallende Übereinstimmung.^ Die Worte, mit denen der Beginn des Kampfes geschildert wird, sind in allen vier Fällen nahezu identisch.* In überein- stimmender Weise schildert der Chronist sodann bei Mühl-
1 Mayr a. a. O. 108, 110, 117 (betreffend Gammelsdorf) und 118 (be- treffend Eßlingen).
2 Mayr a. a. 0. 140.
3 Auf Übereinstimmung zwischen den Kampfschilderungen, die der Fürstenfelder Mönch über Gammelsdorf und Mühldorf bietet, hat schon Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde 4, 2 S. 16, Anm. 4 hin- gewiesen. Pfannenschmid hat in Forschungen zur deutschen Geschichte 3, 101 diese Übereinstimmung bei Übertragung der Schweppermanu- sage mit in Rechnung gestellt, Wiehert aber, ebenda 16, 43, Anm. 5 trotzdem die Gammelsdorfer Schlachtschilderung für wahrheitsgetreu gehalten. Er irrt, wenn er annimmt, daß Mühldorf dem Chronisten gar so ferne gelegen hätte; ob er sich von der dort vorgefallenen Schlacht ein Bild machte, das wird eben doch aus der Eigenart seines Werkes und nicht zum wenigsten aus dem Vergleich seiner Schlacht- schilderungen erschlossen werden müssen, und dieser Vergleich wird auch auf die Wertschätzung des Gammelsdorfer Berichtes einwirken.
* 1322: Instaurant militem, instruunt aciem, conserta pugna hortantur suos (Anh. X Z. 71 f.) ; 1278: Rudolf ns .. . instaurat militem, aciem instruit, consertaque pugna cotnmissum est preliiim
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 299
dorf und bei Gammelsdorf die kampfbereite Haltung der Österreicher,^ das Schwanken der Entscheidung ^ und die Überwindung der Gegner.^ Die größte Ähnlichkeit zeigen dann wieder die Sätze, in welchen der Sieg bei Dürnkrut, bei Göllheim, Gammelsdorf und Mühldorf verkündet wird.^ Aus diesen Beispielen erhellt nicht nur die schon von Wiehert bemerkte Wortarmut des Verfassers,^ sondern auch die Tat- sache, daß er sich von dem Verlauf einer Schlacht eine bestimmte schematische Vorstellung gemacht und mit Zügen, die er dieser Vorstellung entnahm, die ihm mündlich oder schriftlich zugekommenen Nachrichten über die einzelnen Schlachten ausgeschmückt hat. Aber diese ständigen Phrasen
(Böhmer, Fontes 1 [weiterhin B], 7); 1298: ( Adolf us) repente instaurat militem, instruit aciem, conserit imgnmn (B. 20) : 1313: instruunt aciem, conserunt pugnam (B. 37). ^ 1322: Et (Fridericus) videns cum suis aliter esse non- posse , . . non segnes ad pugnam, ceperunt durius rebellare (X Z. 73 — 75) ; 1313: non segnes sed parati peroptime ad pugnandum (B. 37). 2 1322: Stetit igitur anceps victoria per longam horam (X Z. 77);
1313: stetit anceps victoria ad unam horam, (B. 37). "' 1322: sed tandem multi pedites ducis Heinrici optime prepaa-ati ad bellum supervenerunt, cum impetu in prelium irruentes Austra- les dehilitaverunt (X Z. 77 — 79) ; 1313: sed quidam nohiles de Slüzselherch non pauci numero . . . parati ad pugnam mox cum impetu precipitantes se in turbas. . . Jiostihus dehilitatis (B. 37, s. folgende Anm.). * 1322: Ideo non multo post cessatum est a prelio et sole rueiite post meridiem regi Ludwico victoria acclamatur (X Z. 81 f.) ; 1278: Postquam autem cessatum est a pugna, Romanorum regi
triumpJius et victoria acclamatur (B. 7 f.) ; 1298: victoria duci Austrie acclamatur (B. 21);
1313: Et non multo post sole ruente vel parurn post eius occasum, procurante domino Jiostihus debilitatis, duci victoria accla- matur (B. 37). ^ Forschungen zur deutschen Geschichte 16, 34. Die Beispiele hiefür ließen sich noch sehr vermehren. Als mit unserem Gegenstand in Berührung stehend, führe ich noch folgende wiederholt bei kriegeri- schen Ereignissen angewandte Wendungen an: 1278: fuerunt enim inter eos in estimatione pene qiiatuor contra unum (B. 6); 1313: Erant enim ut aiunt quasi quatuor contra unum (B. 37) ; diu latere non potuit heißt es 1278 von dem Tode Otakars, 1298 von jenem Adolfs und 1319 von dem Mordanschlag auf Ludwig {B. 7, 21. 55).
300 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
sind SO allgemeiner Natur, daß sie von den Geschichtschrei- bern der letzten Jahrzehnte kaum berücksichtigt worden sind und keinen ernstlichen Schaden angerichtet haben. Es entbehrt allerdings der sicheren Grundlage, wenn Doben- ecker den Ungestüm des bayrischen Fußvolks und die Aus- rufung des Sieges in seine Schlachtschilderung aufgenonunen liat:^ die betreffenden Sätze des Für stenf eiders gehören zweifellos zu dem bescheidenen Kriegswortvorrat des Chro- nisten und sind deshalb ohne Zeugniswert.
Weit mehr sind die neueren Darstellungen von jenen Stellen der Chronica de gestis principum beeinflußt worden, welche über die Vorgänge handeln, die sich im bayrischen Lager vor der Schlacht bei Mühldorf abgespielt haben sollen. Der Chronist berichtet, wie König Ludwig, die Gefahr er- kennend, sein Vertrauen auf Gott setzte, der auch die an Zahl Schwächeren retten könne, wie er dann eilende Boten zu allen Verbündeten gesandt habe, um sie zu rechtzeitigem Erscheinen zu mahnen, und wie Herzog Heinrich und der Böhmenkönig ohne Zögern Folge leisteten. König Johann, so fährt er fort, sei, sobald er von dem Heranrücken der beiden starken österreichischen Heere und von dem lang- samen Eintreffen der Bayern Kenntnis erhielt, nicht w^enig erschrocken und habe Ludwig seine Sorgen mitgeteilt. Dieser aber habe seinem Bundesgenossen erwidert, er möge ruhigen Muts sein, denn morgen würden sie ausmarschieren und die Hilfe des Herrn werde über ihnen sein. Und in der Tat, am andern Tage strömte vom Morgen bis Einbruch der Nacht durch Gottes Gnade eine solche Menge von Kämpfern zu Eoß und zu Fuß zusam^ien, daß man sie nicht zählen konnte. Die Eeihe der brennenden Lagerfeuer wuchs ins unübersehbare, und als der Herold des Königs durch die
1 Mitt. des Inst., 1. Ergbd. 192 unten, 193, Anm. 1 u. 9. Wenn Pfannenschmid, Forschungen 3, 64, 70 und Köhler, Entwicklung 2, 310, Anm. die in den obigen Anmerkungen (2 und 4 der v. S.) wieder- gegebenen Stellen benützen, um die Dauer der Schlacht und den Zeitpunkt der Entscheidung zu bestimmen, so geraten sie doch nicht in Widerspruch mit dem, was sich aus der hierüber am besten unter- richteten gleichzeitigen Quelle, dem Asbacli-Muttseer Bericht, er- kennen läßt.
IT. Jiuigere Darstellungeu ans eleu beteiligteu Ländern. 301
Zelte reitend die göttliche Hilfe pries, da tönte ihm ein einstimmiges Amen der frommen Krieger entgegen.^
In stärkerem oder geringerem Maß haben alle neueren Darsteller von diesem eindrucksvollen Berichte Gebrauch gemacht, ja einige sind ihm wörtlich gefolgt.^^ Und doch tritt gerade hier die phrasenreiche und tendenziöse Arbeits- weise des Chronisten so scharf hervor, daß von der ganzen Erzählung kaum wenige Worte als gesicherter geschicht- licher Kern übrig bleiben, sobald wir die nachweisbaren Zutaten des Verfassers beseitigen. Um diese zu erkennen, müssen wieder die anderen Abschnitte der Quelle heran- gezogen werden. Das Gottvertrauen Ludwigs vor Beginn des Krieges wird zum Jahr 1322 mit denselben von Judas Machabaeus hergenommenen Worten gemalt wie zum Jahr 1313 vor dem Treffen von Gammelsdorf.^ Der Bericht über die vor Beginn eines Feldzuges an alle Verbündeten und untergebenen Edlen gerichteten Mahnungen und die aus allen Teilen des Landes kommende Hilfe kehrt zu den stän- digen Kunstmitteln des Autors.^ Auch die Befürchtungen
1 Anh. X Z. 26—57.
2 Pfannenschmid, Forschungen 3, 48 f. u. 54; Weech ebenda 4, 98; Würdinger, Sitzungsber. der phil.-hist. Kl. der Münchner Akademie 2, 1872, 468 f.; Dobenecker, Mitt., 1. Ergbd., 179 f. und Köhler, Entwicklung 2, 289 f. u. 300. Auch bei Riezler, Geschichte Bayerns 2, 333, Huber, Geschichte Österreichs 2, 129 und Loserth, Geschichte des späteren Mittelalters S. 264 zeigt sich der Einfluß des Fürsten- f eider Berichtes, indem sie von dem Eintreffen bedeutender Ver- stärkungen im letzten Augenblick (am 27. oder gar 28. September) sprechen, und Baehmann in den Forschungen zur Geschichte Bayerns 14, 261, Anm. 5 hat die betreffende Stelle wörtlich angeführt und zur Ausführung seines Bildes verwendet.
2 1322: fidens in domino, cui se totum commisit, cui etiam nou est diffi- cile salvwre in multitudine vel in paucis (X Z. 27 f.); 1313: fidens in domino, cui indifferens est salvare in multitudine vel in paucis (B. 37); vgl. I Mach. 3, 18.
* 1322: (principes Austritte) mox toto illo anno de otnnihus viscerihus ditionis sue magnum exercitum pugnatorum collcgerunt (XZ. 7f.) und: (Ludwicus) nuncios celeres misit ad omnes, quos prius sihi asciverat... Francos Tnonet, quosdam. de Rheno . . . de prov. Noricorum et per . . . Bawariam. Ilortatur omnes et precipit universis, ut summa cum fesii- natione visis nuntiis sihi in necessitatis articulo non differant suhvenire (X Z. 28 — 33). 1278: (Rudolfus) generale scrihit edictum regni nohi-
302 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
des Böhmenkönigs stehen nicht vereinzelt; in ganz ähnlicher Weise wie König Johann sollen sich 44 Jahre vor der Schlacht bei Mühldorf die Krieger König Eudolfs geäußert haben, als sie die Überzahl des böhmischen Heeres wahr- nahmen.^ Das plötzliche, fast wunderbare Anschwellen des Heeres wird uns in dem Kampf zwischen Friedrich und Ludwig nicht weniger als viermal vorgeführt. Die größte Ähnlichkeit mit dem oben wiedergegebenen Bericht zur Schlacht von Mühldorf zeigt in dieser Beziehung der über das Zusammentreffen der beiden Gegenkönige an der Breusch im Jahr 1320. Da ist es König Ludwig selbst, in dessen Worten der plötzliche Umschwung zum Ausdruck gebracht wird ;^ der Ausruf des Königs entspricht also hier den Worten,
libus universis. Discu'rrunt nuntii onusti litteris; Alemanniam p'yr- amhulant, vadunt celerius citra Reniim, Francos perlustrant, Noricos pertranseunt, ad Swevos dirigunt gressus suos. Tenor Utterarum monet, supplicat, auctoritate regia imperat et hortatur, ut omnes sc preparent ac muniant ad descensum ve/isus Austriam . . . Porro rex Bohemie . . . 7ion minus preparat se interim contra cum, mittens eque nuntios cum litteris, qui peragrent regnum Bohemie et perlustrent omnia viscera eins. Hortatur enim eos, ut pervadant partes Austrie . . . et omnes provincias ditionis sue et denuncient omnihus noMliliis firmiter in mandatis, ut visis litteris et perspectis om,m occasione postposita se preparent ac muniant et venire secum non negligant etc. (B. 5): 1298: (Adolfus) moco nuntios mittit ad omnes noMles ei civitatihus et suis officialihus imperat universis, ut se preparent et invasorem regni . . . invadere non ohmittant (B. 20). 1300: (Alber- tus) mox omnihus officialihus ministris nohilihus et civitatibus precepit universis, ut se preparent ac muniant contra hostes . . . et eos invadere non negligant (B. 25). 1307: (rex Romanorum) iuhet, ut de omnihus viscerihus regni universi nohiles se preparewt ad descen- sum (B. 28). 1310: (rex) predpit officialihus suis et civitatibus circa cum imperat universis, ut ipsum invadere non negligant et destrucre non ohmittant (B. 33). 1313: (duces Austrie) congregaverunt magnum cxercitum de omnihus viscerihus provinciarum suarum . . . alienis autem, et ad se non pertinentihus denunciant, ut qui donativum in certamine voluerint deservire, venire etiam non negligant ad pu- gnandum (B. 35).
1 1322: ,0 hone rex, cum adhuc simus pauci, quid contra tam magnam multitudinem faciemus?' (X Z. 46 f.) ; 1278: ,Quomodo pauci poterimus pugnare contra tam gravem et inestimahilem exercitumf (B. 6).
2 (Lud.) domino promovente congregavit maximum exercitum . . . et cum tänti essent, gavisus est rex henedicens deum super immenso
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 303
die bei Mühldorf dem Herold in den Mnnd gelegt werden,^ in der Fassung aber deckt er sich zum Teil wörtlich mit dem, was der Chronist selbst über das Anwachsen des bayri- schen Heeres bei Augsburg im Jahr 1315 zu erzählen weiß.^ In kürzerer Form, aber sachlich genau übereinstimmend, kommt derselbe Gedanke endlich auch bei dem ersten Mühl- dorf er Zusammentreffen der beiden Gegner im Jahr 1319 2um Ausdruck.^
Diese Zusammenstellungen lassen erkennen, daß nicht bloß die Worte, mit denen der Chronist das überraschende Eintreffen der Truppen und Verbündeten im Heerlager Ludwigs schildert, sondern daß diese ganze Vorstellung zu den Eigenheiten des Autors gehört. Das starke Anwachsen der Heere unmittelbar vor Beginn des Kampfes ist einer von den allgemeinen Zügen, mit denen der Fürstenfelder Mönch sich das Bild einer Schlacht, der er selbst nie bei- gewohnt, auszumalen pflegt. Daß dieser Vorgang sich nach seinem Zeugnis auf der Seite seines Königs unter göttlicher Hilfe stets mit wunderbarer Schnelligkeit vollzieht, das liegt, soviel wir zu erkennen vermögen, vor allem an der frommen und streng bayrischen Gesinnung, welche der Verfasser aller- orten verrät. Es ist zwar möglich, daß ihm der Wortlaut von einem jener Aufgebotsmjandate, mit denen Ludwig die ihm Verpflichteten zu rechtzeitigem Erscheinen mahnte, oder doch ein ähnliches Schriftstück dieser Art zur Verfügung stand; denn die Worte, die er dabei gebraucht: qui vero
heneficio eins et ait: ,0 deus, quanta sunt opera tua! Pridie per- pauci fuimus, desperationi dediti, hodie exultantes, quoä sperare non potuimus, certatim confluentihus hahenies magtium exercitum hella- toruni, tarn copiose quod hostihus nostris caute possimus ohviarc' (B. 56 f.).
* ,0 deus, misisti nohis auxilium de excelso, sit nomen tuum lene- dictiim in secula' (X Z. 56 f.).
- non multo post promovente domino multis liinc inde certatim con- fluentilus numerosa multitudine ieUatorum tanquam celitus missis, in tmituni eius exercitus excrevit, quod ad campestre bellum tute suis hostihus potuit ohviare (B. 52).
* (Lud.) celeriter deo propitio tarn, grandem congregavit exercitum, quod hostes suos in solo proprio impavidus et secnre potuit erpcctaTC (B. 55).
304 Die Bericlite über die Selilaeht bei Mühldorf.
neglexerit vel supersederit, indignaüo7iem regle rnaiestatis se noverint incurrisse (X Z. 33 f.), stimmen recht gut mit Strafformeln in Ludwigs Mandaten oder Urkunden über- ein. ^ Und es liegt auch kein Grund vor zu bezweifeln, daß die Versammlung der bayrischen Kräfte bei Mühldorf dies- mal gut und für den Gegner in unerwünscht rascher Weise gelang; betont doch auch der österreichische Bericht nicht nur die Größe des feindlichen Heeres, sondern auch den Umstand, daß es innerhalb der knappen Frist von vier Tagen zusammenkam.^ Aber die Annahme, daß dem Chronisten von Fürstenfeld besondere ISTachrichten über die Vorgänge zu Gebote gestanden hätten, die sich im bayrischen Lager vor der Schlacht abspielten, ist deshalb nicht erwiesen. Was er über die Beweggründe der Verbündeten, über das Zwie- gespräch Ludwigs mit König Johann, über die lange Eeihe der Lagerfeuer und über den Ruf des Herolds zu sagen weiß, braucht trotz aller Anschaulichkeit nicht auf den Be- richten von Augenzeugen, es kann ebensogut auf der aus- malenden Vorstellungskraft unseres Zisterziensers beruhen. Der einzige Satz, der bestimmter auf solche Nachrichten hinweist, ist der über die schlechte Finanzlage Ludwigs, welcher vor der Schlacht kaum 11 Pfund Haller bei sich gehabt haben soll (X Z. 35 f.) ; die auffällig geringe Summe und das beigefügte sicut ferhir schwächen freilich den Wert dieser Nachricht ab, mehr noch der Umstand, daß der Chro- nist ähnliche Gedanken auch schon bei der Königswahl von 1314 äußert. Dort soll Friedrich, auf seinen Reichtum pochend, geglaubt haben, Ludwig werde ihm kaum ein halbes Jahr oder höchstens ein ganzes widerstehen können, da ihm das Geld und alle für einen König notwendigen Dinge ab-
1 Vgl. Mon. Germ. Leg. IV, 5, Nr. 131, 239, 341, 396, 510 (von Ludwig aus den Jahren 1314 bis 1318), 6, Nr. 507, 521, 522, 524 (desgl. von 1328); noch genauer allerdings ein Mandat Friedrichs von 1316, ebenda 5, Nr. 383. Vgl. im allgemeinen meine Urkundenlehre S. 362. Daß sich der Chronist nirgends auf ein urkundliches Zeugnis beruft, wie Wiehert in den Forschungen zur deutschen Geschichte 16, 38 feststellt, ließe sich mit gelegentlicher Benützung solcher Stücke wohl vereinbaren; sie müßten aber nicht gerade vom Jahr 1322 gewesen sein.
^ Vgl. Anh. IX Z. 70—73.
II. Jüngere Dar.stcllungeii aus den beteiligten Ländern. oOo
gingen (B. 48 Z. 80) ; Gott aber, der den Stolzen entgegen und den Niedrigen gnädig ist, habe für den Aufwand Lud- wigs gesorgt. So möchte man glauben, daß es sich also auch bei der mageren Börse des Mühldorfer Siegers wohl nur um einen neuen Beweis jener frommparteiischen Lehr- haftigkeit handle, welche das ganze Werk durchzieht, wenn nicht Petrus von Zittau in diesem! Fall der Glaubwürdigkeit seines bayrischen Ordensgenossen zu Hilfe käme. Auch die Königsaaler Chronik meldet, daß vor der Schlacht den Bayern das Geld knapp wurde, den Österreichern aber in Überfluß zur Verfügung stand. ^ Die Geldnot auf der bayrischen Seite muß also doch als richtig hingenommen werden, und nur darüber bleibt man im Unsichern, ob der Fürstenfelder wirk- lich die richtige Summe nennt, die Ludwig übrig hatte.
Wichtiger ist es, über den Wert einer andern Stelle in dem Schlachtbericht des Fürstenfelders ins klare zu kommen. Nach seinen eben besprochenen Ausführungen über die Vorbereitung zum Kampf spricht der Chronist zunächst über das Mißgeschick der österreichischen Boten, aus wel- chem ein großer Vorteil für Ludwig den Bayern erwachsen sein soll, und wendet sich sodann zu der eigentlichen Schilde- rung der Schlacht mit den Worten: Anno igitur MCCCXiXII in vigilia Mychahelis Ludwicus rex Romanorum, rex Bohe- mie et Heinricus dux Bawarie et alii multi nohiles summo mane duce'in Austrie cum, exercitu suo cingunt, ne in alterarn, partem declinet,uhi possit fratris adventum, tutius prestolari et conflictufn diutius prorogare (X^ Z. 67 — 71). Diese Stelle hat zu verschiedenen Deutungen Anlaß gegeben und auf die Auffassung des ganzen Vorgangs sehr wesentlichen Ein- fluß geübt. N ach dem Vorgang von Buchner ^ hat Pf annen- schmid unter in alt er am partem das andere — also das rechte — Ufer des Inn verstanden; er denkt an eine von bayrischer Seite beabsichtigte Umgehung des rech- ten Flügels der Österreicher, die den Zweck gehabt haben soll, sie vom Inn abzudrängen und ihnen den Übergang bei Mühldorf zu verwehren.^ Weech ist dieser Ansicht ent-
1 Anh. VIII Z. 24 f.
2 Geschichte von Bayern 5, 324.
^ Forschungen zur deutschen Geschichte 3, 58.
306 Die liericlite über die Sehlaelit bei Mühldoif.
gegengetreten, hat die Ergänzung von Oeni zu in alteram partem abgelehnt und die h^ache so aufgefaßt, als ob Ludwig oberhalb der Österreicher den Übergang über die Tsen be- werkstelligt habe, um sie von Westen, also auf ihrem linken Flügel, zu umgehen und ihnen die Verbindung mit dem Heere Leopolds unmöglich zu machen, dessen Anmarsch ja gewiß eher in der Eichtung von München und nicht von Mühldorf her zu erwarten gewesen wäre.-^ Seinen Aus- führungen haben sich Dobenecker ^ und Bachmann ^ ange- schlossen. Köhler aber hat, obwohl er in bezug auf die Lage des Schlachtfelds mit Dobenecker ziemlich genau über- einstimmt, in diesem Punkt dennoch auf die Erklärung von Buchner und Pfannenschmid zurückgegriffen; »er be- trachtet pars altera als das jenseitige, also rechte Ufer des Inns und nimmt wieder .eine Umgehung der Österreicher von Osten her an mit dem ausdrücklichen Zweck, ihren Kückzug über den Inn abzuschneiden oder doch zu bedrohen.'* Die Gründe, weshalb die Umgehung bald in dieser, bald in jener Richtung angenommen wurde, sollen hier nicht er- örtert werden, wohl aber die Frage, ob die ganze Stelle überhaupt als glaubwürdiges Zeugnis für eine von bayri- scher Seite versuchte oder ausgeführte Einschließung der Österreicher gelten kann. Wollen wir hierüber ein Urteil gewinnen, so ist es nötig, aus dem Sprachgebrauch des Autors den Sinn und Wert der entscheidenden Wendungen festzustellen. Während das Verbum declinare in der Be- deutung von ausweichen oder abfallen in der Chronica wieder- holt begegnet, finden sich für declinare in partem alteram außer der hier in Rede stehenden nur drei Stellen, und auch von diesen kommen nur zwei in Betracht, da an der dritten die Wendung in übertragener Bedeutung gebraucht ist.^
Der eine dieser beiden Fälle (B. 52 Z. 33) bezieht sich auf das Gegenüberstehen der Gegenkönige im Herbst 1315.
* Forschungen zur deutschen Geschichte 4, 93 f. 2 Mitt., 1. Ergbd., 186.
•^ Forschungen zur Greschicht« Bayerns 14, 269.
« Göttingische gelehrte Anzeigen 1884, 1, 468 ff. u. Entwicklung 2, 301. ^ B. 6 heißt es von Herzog Heinrich, daß er in partem alteram decli- nasset, d. h. zur Partei Otakars abgefallen sei.
II. Jüngere DarsleJliiiigeii aus den beteiligleii Läiideru. 307
Die Österreicher, heißt es hier, hätten apud Puchlem . . . juxta fluvium Vindorurn Lager geschlagen an einer Stelle, wo sie, von Tälern und Gewässern umgeben, keinen Angriff zu fürchten brauchten; aber infolge des Eintritts von Über- schwemmung und E/egengüssen hatten Mann und Pferd in der wasserreichen Gegend einen üblen Stand, tarnen aquis prohi- hentihus effugere non poterant nee in partem alteram decli- nare. Um welche Örtlichkeit es sich hier handelt, ist keines- wegs klar,^ soviel ist aber wahrscheinlich, daß Friedrich in- folge des hohen Wasserstandes nicht über den Fluß konnte ; in partem alteram declinare kann also bedeuten : aufs andere Ufer übersetzen. Das andere Mal wird die fragliche Wendung ge- braucht bei der Schilderung des Marsches, den Herzog Leo- ])old im September 1322 unternahm, um sich mit seinen Brüdern zu verbinden. Vom Lech kommend, schlug der Herzog in Alling, etwa eine Meile südlich von Fürstenfeld sein erstes Nachtlager auf, am Ufer eines Flusses apud ripam fluminis,^ wie der in dieser Gegend ortskundige Ver- fasser bemerkt (X Z. 114 f.). Der Herzog erfährt hier, daß die Boten, welche die Verbindung zwischen beiden Heeren herstellen sollten, in Fürstenfeld oder in dessen Nähe ihrer Pferde beraubt worden seien, erzürnt befiehlt er die Plünde- rung des Klosters, sein Marschall aber verweigert die Aus- führung, Da, so fährt der Fürstenfelder Mönch fort, decli- nans in partem alteram, subito audit sinistros rumor es in exercitu personare (X Z. 122 f.) ; es sind die ersten Nach- richten von dem unglücklichen Ausgang der Schlacht, die sich bald bestätigen; daraufhin bricht Leopold inmitten der Nacht auf und zieht zurück nach Schwaben. Auch hier ist es schwer, sich eine genaue Vorstellung der Örtlichkeit
^ Biichloe, worauf das überlieferte ,Puehlem' von Böhmer a. a. O. S. 52, Anm. 1 sowie von Kiezler, Geschichte Bayerns 2, 318 und Schrohe, Der Kampf der Gegenkönige Ludwig und Friedrich (Hist. Unter- suchungen, herausgegeben von Ehering, Heft 29, 1902, S. 86, 276) gedeutet wird, liegt au der Gennach, etwa 7 km östlich von der Wertach; ob einer dieser beiden Wasserläufe oder etwa der Lech unter dem fluvius Vindorum zu verstehen sei, ist mir zweifelhaft.
2 Würdinger S. 470 und Dobenecker S 195 denken an den an Alling vorbeifließenden Starzelbach, ein freilich recht unbedeutendes Ge- wässer.
308 Die Berichte über die Sc-lilitelit bei Mühldorf.
ZU machen, aber das Nächstli eggende bleibt doch, die altera pars wieder auf das andere Ufer des Fliißchens zu deuten, von dem vorher die Rede war.
( Könnte also in zwei Fällen die Wendung in alteram partem declinare mit einigem Eecht auf einen Flußübergang bezogen werden, so dürfte diese Bedeutung zunächst auch für die in dem Mühldorfer Schlachtbericht vorkommende Stelle angenommen werden. Aber die Sache liegt hier doch ganz anders als dort. In den eben erörterten Fällen wird vorher von einem Fluß gesprochen, hier aber sucht man vergebens die Erwähnung eines Gewässers, auf welches sich das i7i alteram partem declinare beziehen könnte. Nur von dem Zuge Leopolds weiß der Chronist nähere Ortsangaben beizubringen. Über die Bewegungen Friedrichs und Lud- wigs und über den Schlachtort verliert er kein Wort; wenn er nicht schließlich von dem Abzug des Siegers nach Ötting spräche, so wüßten wir nach seinem Berichte nicht einmal, in welcher Gegend die Schlacht geschlagen wurde. Unter solchen Verhältnissen erscheint es doch gewagt, zu in alteram partem einen bestimmten Flußnamen ergänzen zu wollen; man könnte etwa denken, daß ein solcher Name durch Ver- sehen ausgefallen wäre, aber bei dem gänzlichen Fehlen sonstiger Ortsangaben ist auch das wenig wahrscheinlich. Deshalb niuß versucht werden, ob sich nicht eine andere, wahrscheinlichere Erklärung der Stelle finden läßt.
Wir haben gesehen und an einer Reihe von Beispielen verfolgt, wie unser Fürstenfelder Mönch seine Schlacht- und Kriegsberichte zu machen pflegte. Zum guten Teil sind sie aus regelmäßig wiederkehrenden Phrasen zusammengesetzt, die dem Chronisten für jede Schlacht passend erschienen und die er deshalb mit mancherlei Abwechslungen überall anwandte, um aus den dürftigen, ihm von dem Einzelfall bekannt gewordenen historischen Zügen ein Bild zu schaffen. Es entsteht demnach die Frage, ob nicht auch die Umgehung der Österreicher und die dadurch erreichte Nötigung zum Kampf zu den Zügen gehört, die der Verfasser nur seinen allgemeinen Vorstellungen über kriegerische Vorgänge ent- nommen hat. Das Wort cingere, dessen Gebrauch für diese Frage entscheidend ist, gehört zu den Lieblingsworten des
TT. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 309
Autors. Er o^ebraucht es nicht bloß bei der Gefangennahme der Gegner ^ und fast ständig bei Erwähnung von Belage- rungen," sondern auch bei solchen kriegerischen Unter- nehmungen, bei denen das Mittel der Umgehung und Ein- schließung keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben kann.^ Überdies kehrt auch der Gedanke an einen von Ludwig gegen den Willen der Österreicher er- zwungenen Kampf in noch breiterer Ausführung bei dem Bericht über das Gammelsdorf er Gefecht (B. 36 f.) wieder. Hier heißt es, die Österreicher hätten die Vereinigung ihrer Heere hinausgeschoben, damit dem oberbayrischen Heer Le- bensmittel und Geld ausgingen; Ludwig aber sei, die Tüch- tigsten aus seinem Heer auswählend, mit diesen gegen Moos- burg gezogen und habe seinen Feinden den Kampf auf- gezwungen denuncians eis, quod si velint nolint oportere eos pugnare, ne dicant postea calumpniose cum eis egisse, wor- auf die Gegner freudig eingingen, indem sie auf ihre über- legene Zahl hofften ; sie sollen die vierfache Überlegenheit gehabt haben, dann aber doch mit Gottes Hilfe geschlagen worden sein. Die Unwahrscheinlichkeit dieses Berichtes leuchtet ein; wenn Ludwig so sehr in der Minderzahl war, würde er den Kampf schwerlich gesucht haben, und wenn die Österreicher und Niederbayern bei Moosburg ein so großes Heer beisammen hatten, bedurfte es kaum jener schar- fen Herausforderung, um sie zum Kamlpf zu bewegen.^ Viel-
1 (Ludowicus) mox in modum corone cingens hostcs victos, ne pateret eis locus fugiendi, B. 37.
2 so hello eiligere von Wien, und zwar irrtümlicli nach der Entschei- dungsschlacht von 1278 statt zu 1276, B. 10; ohsidione cingere von den Städten Brescia, Mailand, Genua und Florenz und den Schlössern Wolfratshausen und Burgau, B. 40, 44, 53 und 65.
^ (Albertus rex) episcopmn Coloniensem, ducem Bawarie et alios hello cingit et ohsidet tarn valide, ut nullus eorum federe casso alter alterum valeat adiuvare, B. 25; officiales regis (Eeinrici) ipsum (comitem de Wirtenherck) hello cingunt, B. 33 ; (Augustani) timentes ipsum (regem Ludv'icum) ihidem ah hostihus circumcingi, B. 52.
* Ich möchte darum Wiehert nicht zustimmen, der in Forschungen zur deutschen Geschichte 16, 43 die anderweitig nicht belegten Einzel- heiten des Gammelsdorfer Berichts unserer Quelle als ,wahrheits- getreu' hinnimmt, w^eil das Ereignis sich ,im großen Umkreis' des
Arclüy. 105. Bd. U. Hälfte. "^
310 Dift Berichte über die Schlacht bei Mühldorf,
mehr erweckt die mit dem Miihldorfer Schlachtbericht des- selben Verfassers sich ergebende Übereinstimmung auch hier den Verdacht, daß es sich nur um eine ständige Anschauung oder ein beliebtes Kunstmittel des Fürstenfelder Chronist/en handle.^ Ihm, der mit solchem Parteigeist nicht bloß selbst Stellung nimmt, sondern auch an die seinem Liebling zugute kommende göttliche Hilfe glaubt, paßt es in das Bild, daß Ludwig voll Gottvertrauen, ohne Rücksicht auf die Größe des Heeres, in den Kampf zieht und siegt. Bewußt oder unbewußt widerspricht er damit der in unserer österreichi- schen Quelle in glaubwürdiger Weise vertretenen Auffassung, wornach es Friedrichs freier Wille war, die Entscheidung zu suchen.^ Auch deshalb müssen wir, die typische Arbeits- weise des Autors kennend, jene angebliche Einschließung des österreichischen Heeres, die das Treffen erzwungen haben soll, ganz abgesehen von anders lautenden Zeugnissen, deren sachliche Würdigung noch erfolgen soll, zu den unbeglaubig- ten Einzelheiten dieser Quelle rechnen.
Ebenso überzeugt bayrisch, aber noch ärmer an ge- schichtlichem Ertrag wie die Fürstenfelder Chi'onik ist eine Lebensbeschreibung Kaiser Ludwigs, die in einer Raitenbucher und einer Mondseer Handschrift er- halten, aber wahrscheinlich in Ranshofen oder einem andern, dem Inn und der Salzach benachbarten Augustinerkloster geschrieben worden ist.^ Die Erzählung wird bis zu dem
Klosters Fürstenfeld zutrug und ,weil diese (Einzelheiten) selbst in sich widerspruchslos sind*; vielmehr halt« ich auch dieses Bild, trotz verhältnismäßig geringer Entfernung des Schlachtfelds (etwa 70 km), zum mindesten für stark übermalt. Vgl. oben S. 298, Anm. 3. ^ Man beachte bei Gammelsdorf velint nolint oportere eo.s- pugnare B. 37, bei Mühldorf vellet nollet inire prelium perurgetur, X Z. 73. Zu der fast unmittelbar darauf folgenden Stelle confidens in multitudine virtutis sue, non segnes ad pugnam ceperunt durius rebellare (deren Deutlichkeit übrigens zu wünschen übrig läßt), vgl. bei Göllheim confide7is in multitudine divitiarmn siiarum et fortitudine manus suc B. 20, bei der Köuigswahl conf. in mult. div. suarum et in Irachio fortitudinis sue B. 48, bei Gammelsdorf non segnes sed parati per- optime ad pugnandum B. 37.
2 Vgl. oben S. 290.
3 Über die Handschriften berichtet Leidinger im Neuen Archiv 19, 686 ff.; dort ist auch der von Pez weggelassene und daher auch
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 311
Tod des Kaisers fortgeführt, aber es ist nicht anzunehmen, daß sie in einem Zug niedergeschrieben sei, vielmehr deuten Unterschiede der Darstellungsart und der Umstand, daß an einer Stelle Ludwig ausdrücklich als noch lebend be- zeichnet wird,^ auf eine stückweise Entstehung.^ Und so braucht also der Zeitabstand zwischen der Abfassung des Mühldorfer Schlachtberichts, den wir hier treffen, und dem Ereignisse nicht allzu groß zu sein. Aber der Bericht ist höchst ärmlich. Wenn man von der ungenauen Ortsangabe pro'pe Müldorff, von der Aufzählung der auf österreichischer Seite kämpfenden Stämme und der übertriebenen Zahl der Kämpfer Friedrichs absieht, bietet er gar keine greifbaren Vorstellungen, sondern vielmehr ein Stimmungsbild, welches dem stolzen Auftreten der Österreicher ihre gänzliche Nieder- lage gegenüberstellt, und zwar in einer Weise, die bei Men- schen von rohem Geschmack recht wirkungsvoll sein mochte. Der Autor arbeitet dabei, wenn auch herzlich plump und ungeschickt, so doch in bewußter Absicht mit dichterischen Mitteln. Das ganze auf die Schlacht bezügliche Stück ist
in der Ausgabe von Böhmer, Fontes 1, 154 f. fehlende Teil abgedruckt; die Entstehungsverhältnisse behandelten vorher Lütolf in den For- schungen zur deutschen Geschichte 15, 566 ff. und Wiehert ebenda 16, 57 ff., jetzt am besten Leidinger S. 691 f., der auf des Verfassers Erbitterung über den Zug des österreichischen Heeres im Jahr 1322 mit Recht aufmerksam macht. Da nun Friedrich von Passau am linken Innufer aufwärts zog (s. oben S. 254, Anm. 3), so hat er weder Suben, noch Reicheraberg und Ranshofen unmittelbar berührt, noch weniger natürlich die oberhalb Mühldorf gelegenen Klöster Au und Gars; in diesem Sinn käme eher St. Nikolaus in Passau in Betracht, weil hier die Worte quod nohis comedistis, Jioc hene persolvistis (Anh. XI Z. 46) am besten passen möchten. Der gute Bericht über die Ranshofener Zusammenkunft von 1313 macht aber doch Ent- stehung in Ranshofen am wahrscheinlichsten.
^ Nach dem Bericht über die Versöhnung der Gegenkönige heißt es Ludovicus dei gratia adhiic regnat in stia patria Böhmer 1, 155.
2 Vgl. dazu Wiehert a. a. 0. 61 f., der von drei Teilen der Vita redet. Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen 1*, 206 nahm dagegen an. das Werk sei in zwei Absätzen entstanden. Genaue Zeitangaben für die Abfassung der Teile hat indes keiner dieser Forscher zu machen vermocht.
21*
312 Die Berichte über die Schlucht bei Mülildorf.
gereimt ^ und es sind ihm Klagelieder der Grefangenen und Lobgesänge, welche dem Sieger bei seinem Einzug in Regens- burg entgegentönten, eingefügt. Neben solchem erdichteten Beiwerk verlieren auch die einzelnen Züge des Berichtes, so die angebliche Teilnahme der Mährer an dem Kampf,^ die Ereilung der Fliehenden auf Bergen und in Wäldern, die Behauptung der gefangenen Habsburger, daß sie mit 10.000 Mann gekommen seien, ja selbst der bis auf die Stunde bezeichnet-e Empfang in Eegensburg,^ sehr an Glaub- würdigkeit. So darf der Wert dieser Erzählung nicht in den angeführten Einzelheiten gesucht werden ; sie legt Zeug- nis ab für das treue Festhalten einiger Teile des Klerus an dem gebannten Kaiser ^ und sie läßt zugleich erraten, wie gering die Erinnerungen waren, die sich von seinem ent- scheidenden Sieg auch in nahestehenden geistlichen Kreisen forterhielten.
Als Seiten stücke zu diesem lateinischen Lebensbild des Kaisers darf man drei deutschgeschriebene Darstellungen seiner Eegierung ansehen, die miteinander inhaltlich und auch durch ihre Überlieferung verwandt sind. So wie sie uns vorliegen, schließen sich alle drei an jene volkstümliche Behandlung der Reichsge- schichte des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts an, welche Weiland als die ,erste bayrische Fortsetzung der sächsischen Weltchronik' gedruckt hat.^ Während dieses Werk die Er- eignisse bis zur Doppelwahl von 1314 führt, nur mit wenigen Worten die unmittelbar darauf folgenden Dinge streift und
1 Schon Leidinger a. a. 0. 688 ff. hat die Reime ersichtlich gemacht. S. unten A n h. XI. Ganz ähnlich gefaßt und auch zum Teil gereimt, ist die Lobpreisung des, Sieges von Gammelsdorf, Böhmer 1, 150.
~ Sie erscheinen hier wie auch bei Gammelsdorf (Böhmer, Fontes 1, 150) nach den Worten der Vita im Heere Friedrichs.
=' Von dem Bericht über diesen Empfang haben Eiezler 2, 342 und Dobenecker a. a. 0. 197 doch Gebrauch gemacht, wenn sie auch auf die Einzelheiten nicht eingingen.
* Auf eine gewisse Verbreitung des Werkes läßt die Auffindung von Handschriften in Eaitenbuch und Mondsee immerhin schließen, wenn auch von einem Hinausdringen über die geistlichen Kreise, wie Leidinger a. a. 0. 691 mit Recht betont, keine Rede sein kann.
"• Mon. Germ. Deutsche Chroniken 2, 319 ff.
TT. Jüngere Diirstellungen aus den beteiligten Ländern. 313
die Zahl der Jahre von Ludwigs Herrschaft offen läßt, führen die hier in Betracht kommenden drei Stücke ^ den Bericht von 1314 an weiter bis zum Tod des Kaisers, teilweise sogar etwas darüber hinaus; jedenfalls ist bei allen dreien zu erkennen, daß zur Zeit der Abfassung dieses Ereignis schon eingetreten sein muß. Alle drei scheinen dem Kaiser günstig zu sein ; wo sie von seinem Streit mit der päpstlichen Kurie sprechen, wird Ludwigs Stellung verständnisvoll begründet,^ in den auf den deutschen Thronkampf bezüglichen Kapiteln Ludwig allein oder doch vorwiegend mit dem Königstitel benannt.^ Diese Haltung und die schon erwähnte Über- lief erungsweise passen zu bayrischem Ursprung; bei A weist auch die Sprache der Handschriften auf oberdeutsche Her- kunft, B ist zwar nur in einer Handschrift des bayrischen Klosters Benediktbeuern überliefert, weist aber nach dem Urteil des Herausgebers einen starken Einschlag von mittel- deutschen Sprachformen, ja selbst niederdeutsche Bei- mischung auf, während sich bei G augsburgische Herkunft aus sprachlichen Gründen vertreten ließe. ^ Indes führen
i Mon. Germ, Deutsche Chroniken 2, 336 ff. Weiland bezeichnet die in den Handschriften 2 und 4 enthaltene Fortsetzung als ,zweite bayrische Fortsetzung' (ich verwende der Ivürze halber oben A), die in Handschrift 6 als ,dritte bayrische Fortsetzung' (oben B) und die in Herrigs Archiv 25, 303 ff. aus der vermißten Handschrift 5 gedruckte (welcher unmittelbar nur die c. 21 — 27 der ,ersten bayrischen Fort- setzung' vorangehen) als ,Fortsßtzung des deutschen Martin von Troppau' (oben C). Der von Weiland als yierte bayrische Fortsetzung' gezählte Schluß der Handschrift 3, der bis über die Mitte des 15. Jahr- Imnderts herabreicht, aber die Zeit Ludwigs des Bayern ganz kurz abtut, kommt für Mühldorf nicht in Betracht,
- Vgl. Deutsche Chroniken 2, 338 f. (A) und besonders 344 ff. (B) ; etwas zurückhaltender 351 c. 7 in C.
^ Am auffallendsten ist die ungleiche Behandlung der zwei Gegner in A, wo S. 337 f. dem künig Ludweig stets der herzog Fridrich gegen- übersteht. B behandelt beide bis zu Friedrichs Gefangennahme als Könige, nennt aber dann Friedrich nur den vo7i Osterrich, C redet zunächst von dem von Beim und dem von Österreich, gibt aber dann nur Ludwig den Titel, obwohl C davon weiß, daß sich auch Friedrich bis zu seinem Tod Römischer König nannte,
^ Über die Sprache der Handschriften von A vgl. Weiland a, a. 0. 5 f. (unter Nr. 3 und 5), über die von B und C S. 341 und 349.
314 Die Berichte über die Schlacht bei Mühhiorf.
weder diese Beobachtungen, noch auch die aus dem Inhalt ii^ewonnenen Wahrnehmungen zu einer einigermaßen zuver- sichtlichen genaueren Bestimmung der Orte, an welchen diese deutschen Geschichtserzählungen entstanden sein könnten.^ Auch die Zeitbestimmung stößt auf Schwierigkeiten, weil bei A der auf das Jahr 1348 bezügliche Schluß vielleicht als nachträglicher Zusatz zu betrachten ist,^ B und C da- gegen in den Handschriften ein verstümmeltes Ende auf- weisen, also möglicherweise noch wesentlich weiter herab ge- reicht haben könnten als bis zu dem Tod Kaiser Ludwigs. Sicher ist nur, daß B, das ausführlichste unter den drei Stücken, nicht vor dem Jahr 1366 entstanden sein kann, Aveil es darin von dem 1328 geborenen Sohn des Kaisers
^ Die Hervorhebung des Landgrafen Friedrieh von Thüringen in B (S. 344 Z. 11) ist von Weiland S. 341 mit Recht zu der sprachlichen Eigenheit der Handschrift in Beziehung gesetzt worden; indes ist die Annahme einer doppelten Übertragung des Textes (von Bayern nach Thüringen und dann wieder zurück nach Bayern) doch zu künstlich, um ganz zu befriedigen. Auch ist es mir fraglich, ob man die Erwähnung des Viztums Weiglein und weiterhin die der Kärnten-tirolischen Erb- folgefrage und der großen Erdbebenkatastrophe von Villach wirklich für die bayrische Herkunft des ersten und die Kärntner Herkunft des zweiten Teils von A geltend machen darf, wie Weiland S. 336 will; diese Dinge können weit über die Landesgrenzen hinaus Anteil geweckt haben. Ähnlich verhält es sich aber auch mit der Hervor- hebung von Augsburg in C; aus der auffallenden Berücksichtigung der schwäbischen Vorgänge braucht vielleicht nicht gerade auf augs- burgische Entstehung geschlossen zu werden; sie wäre im westlichen Bayern oder in anderen schwäbischen Orten auch erklärlich.
2 Weiland vermutete (Deutsche Chroniken 2, 336), daß A ursprünglich nur die ersten fünf Kapitel enthalten habe, welche die Ereignisse vod 1314 bis 1342 in guter zeitlicher Ordnung behandeln, während in c. 6 wieder auf 1335 zurückgegriffen wird; und er brachte damit in Zu- sammenhang, daß der mit c. 6 beginnende Teil Kärntner Dinge stark berücksichtige und dem Verfasser von B nicht mehr vorgelegen habea dürfte, während sich Benützung der früheren Kapitel von A in B nachweisen lasse. Indes scheinen mir diese Gründe nicht ausreichend, um einen Abschnitt hinter c. 5 anzunehmen, da wenigstens c. 6 und 7 in der Ausdrucksweise mit den früheren übereinstimmen; eher möchte ich das mit Jahres- und Tagesangabe und einer Art von Kund- machung beginnende c. 8, worin das Kärntner Erdbeben von 1348 geschildert wird, als Zusatz ansehen.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 315
heißt den nante man den Romer, diivile er lebte; das setzt die Kenntnis seines im Jahr 1366 erfolgten Todes voraus.^ Einen weiteren Anhaltspunkt zur Aufhellung der Ent- stehungsweise von B würde ein an zwei Stellen dieser Er- zählung vorkommender Quellenhinweis bieten ; in bezug auf die letzten Schicksale des 1340 ausgestorbenen niederbayri- schen Hauses heilet es: wie es um, di fursten ging, daz vindct man in der Beierschen Cronihen, da der Beierischen fursten leben inne beschriben stet, und ebenso in bezug auf Herzog Meinhard: tvi ez dem ging, wer daz wißen wil, der lese der Beierischen lierren Cronihen. Aber es ist leider bisher nicht gelungen, diese bayrische Fürstenchronik festzustellen, welche mindestens bis in die sechziger Jahre des 14. Jahrhunderts herabgereicht haben muß.^ So ist also auch bei B nur die obere Zeitgrenze bekannt und wir wissen nicht zuverlässig,
1 Deutsche Chroniken 2, .344 Z. 33, dazu Weiland a. a. 0. 341. Als Hinweis auf einen noch etwas späteren Zeitpunkt könnte eine Stelle der ersten bayrischen Fortsetzung (Deutsche Chroniken 2, 333 Z. 26) gedeutet werden, in der es heißt, daß der Papst zu den zeiten den stul nicht ze Rom sunder ze Avinion hielt. Wenn man daraus ableiten dürfte, daß die erste bayrische Fortsetzung erst nach dem Ende des Avignonschen Aufenthalts der Kurie oder doch nicht vor dem vor- übergehenden Aufenthalt Urbans V. in Rom (1367 — 1370) geschrieben sei (in ähnlicher Art liat Weiland in Göttingische gelehrte Nach- richten 1883, S. 243 die in einer andern Chronik vorkommenden Worte uhi tunc sedes apostoUca erat beurteilt), dann würde nicht bloß für B, sondern auch für A und C, Aveil sie sich an jene erste bayrische Fortsetzung anschließen, die Entstehungszeit über 1367 herabgerückt. Freilich ist jener Schluß nicht zwingend, da der Chronist mit den Worten nicht ze Rom sunder ze Avinion vielleicht nur den Gegensatz zur vorausgehenden Zeit, nicht den zu der eigenen ausdrücken wollte. Auf der andern Seite muß aber auch die Lücke in der Angabe der Eegierungszeit Ludwigs (Deutsche Chroniken 2, 335 Z. 27) nicht unbedingt als Beweis der EntiStehung bei Ludwigs Lebzeiten aufgefaßt werden; eine begreifliche Unsicherheit in der Berechnung konnte auch nach 1347 zur Auslassung der Zahl der Begierungsjahre Anlaß geben. Und mancherlei stilistische Übereinstimmungen der ersten bayrischen Fortsetzung mit B scheinen in der Tat für engeren Zu- sammenhang dieser beiden Stücke und vielleicht sogar für Identität der Verfasser zu sprechen.
2 Deutsche Chroniken 2, 343, Z. 18, 348 Z. 32, dazu Weiland a. a. O. 340 f.; die Vermutung, daß dabei das unten (S. 318 ff.) zu besprechende
316 Die Berichte über die Sclilacht bei Mülildorf.
ein wie großer Zwischenraum ihre Entstehung von dem Er- eignis trennte, um das es sich hier handelt. Die Berichte in A und C dürften mindestens 25 Jahre, jener in E min- destens 44 Jahre nach dem Ereignis geschrieben sein, aber die Benützung etwas älterer Aufzeichnungen wäre in allen drei Fällen denkbar.
Mit so unsicheren Kenntnissen über die Entstehungs- weise dieser deutschen Quellen ausgerüstet, treten wir nun- mehr an die Einzeluntersuchung heran und bemerken zu- nächst, daß die drei Schlachtberichte ^ untereinander in der Ortsbezeichnung übereinstimmen, indem sie alle den Kampf bei oder vor dem Dornberg oder bei einer Feste dieses jSTamens erfolgen lassen ;2 daneben wird zwar in' zweien (A und B) auch Mühldorf im gleichen Zusammenhang ge- nannt, aber doch nicht eigentlich, um dadurch den Kampf- platz anzugeben, sondern nur um den Anmarsch des öster- reichischen Heeres zu schildern.^ Der Wortlaut der drei Stellen ist aber trotz mancher Berührungen voneinander so weit unabhängig, daß keine der drei Fassungen aus einer der anderen allein befriedigend erklärt werden könnte, und alle drei zeigen beachtenswerte Nachrichten über die an dem Heereszug beteiligten Fürsten und Herren. Für die öster- reichische Seite ist in dieser Hinsicht A am besten unter- richtet, denn nur hier, nicht in B und C, werden die Bischöfe von Salzburg und Passau genannt, für deren Teilnahme uns ja auch andere und gleichzeitige Zeugnisse vorliegen;* und in Verbindung mit einer Burghausener Handschrift von A findet sich auch jenes umfangreiche Verzeichnis der
Chronicon de ducibvis Bawarie gemeint sein könnte, sei hier nur an- gedeutet.
1 Gedruckt im A n h. XII, XIII, XIV.
2 A, Anh. XII Z. 7 dacz dem Dornberg; B. Anh. XIII Z. 4 vur den Dornberg (vgl. Deutsche Chroniken 2, 348 Z. 5); C, Anh. XIV Z. 2 und 16 f. hi einer veste heizt Dornherg, zum Dornberg (vgl. Deutsche Chroniken 2, 350 Z. 36).
3 A, Anh. XII Z. 4 für zu MMdorff Über; B, Anh. XIII Z. 3 diirch Muldorf. Über die zweifelhafte Glaubwürdigkeit dieser Worte vgl. zunächst oben S. 254, Anm. 3.
^ Vgl. den Mattsee-Asbachischen und den Salzburger Bericht, oben S. 252 ff. und 258 ff.. Anh. II Z. 8 und VII Z. 3—5.
TT. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 317
in den Jaliren 1819 und 1322 vom Erzbischof von Salzburii' zur Eitterwürde Erhobenen, das uns am meisten in die Zu- sammensetzung des österreichischen Heeres hineinzusehen ge- stattet.^ Wertvoll sind auch die in B und C überlieferten Angaben über das bayrische Heer; daß außer Herzog Hein- rich von Niederbayern auch dessen damals etwa 14j ähriger Bruder Otto an der Schlacht teilgenommen und daß sie beide dort Eitter geworden seien, weiß nur B zu berichten ; außerdem nennt B als beteiligt Berthold von Neifen und zwei Grafen von Öttingen, C die von Hohenloh und Bruneck und den von Schlüssel berg, welch letzteren B sogar als den Bannerträger des wittelsbachischen Heeres bezeichnet. Diese im Vergleich zu den bisher besprochenen Quellen reichlichen Nachrichten werden damit zusammenhängen, daß in den weltlichen Kreisen, für welche diese deutschen Geschichts- erzählungen bestimmt und aus welchen sie vielleicht auch hervorgegangen waren, die Parteistellung und das kriegeri- sche Verdienst der einzelnen Adelsgeschlechter mit regem Anteil verfolgt und im Gedächtnis behalten wurde; deshalb darf diesen Meldungen trotz der zeitlichen Entfernung von dem Ereignis großer Wert beigelegt werden, wenn auch Ent- stellungen im einzelnen nicht ausgeschlossen sind.^ Was C über den Zug Leopolds und seine Umkehr erzählt, läßt sich, wörtlich genommen, mit dem Bericht des Fürstenfelder Mön- ches, der gerade in dieser Hinsicht genau unterrichtet war,^ nicht vereinbaren. Es ist unrichtig, da£ ein bloß eintägiges
^ Vgl. Riezler im Nachwort zu Job. Turmairs sämtlichen Werken 3, 587 ff., aber auch Hauthaler in den Mitt. der Gesellsch. f. Salzburger Landeskunde 19, 162 ff. Eine nähere Würdigung dieses Verzeichnissies behalte ich dem zweiten Teil der Arbeit vor.
2 Die Nachricht von der Eitterwürde ist, soweit sie sich auf Herzog Heinrich bezieht, um so glaubhafter, als dieser damals das 18. Lebens- jahr vollendet oder docli erreicht haben dürfte, und auch für seinen Großvater, Herzog Heinrich I., die Wehrhaftmachung in diesem Alter bezeugt ist; dagegen erweckt bei Herzog Otto schon das geringe Alt^i'r einige Bedenken. Vgl. Böhmer, Wi ttelsb ach i sehe Regesten S. 75. 105, 126. Darüber sowie auch über die Eolle des Schlüsselbergers und die der anderen Kriegsteilnehmer wird im Zusammenhang mit den ur- kundlichen Quellen näher zu sprechen sein.
^ Vgl. oben S. 294 ff.
318 Dio Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
Hinausziehen des Kampfes die Vereinigung der liabsbnrgi- schen Brüder vor der Entscheidung ermöglicht hätte, denn Leopold befand sich, als er umkehrte, etwa 100 km entfernt vom Schlachtfeld. Und es ist nicht anzunehmen, daß Leo- pold bei seiner Umkehr ,Wagen und Kost^ habe stehen lassen; denn der Fürstenfelder Chronist, der das nicht leicht ver- schwiegen hätte, sagt nichts von einer so demütigenden Zutat des Eückzuges,^ wenn auch eine gewisse Easchheit des Ent- schlusses aus seinen Worten hervorzugehen scheint. Vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit dem plötzlichen Abzug Ludwigs von Burgau vor, bei dem die Zurücklassung der Fahrzeuge ausreichend beglaubigt ist.^ Bemerkenswert ist immerhin, daß auch diese späte, wohl auf Laienkreise be- rechnete Fassung dem Mißlingen der Vereinigung so große Bedeutung zuschreibt und daß auch nach ihr der Entschluß Friedrichs und nicht ein von bayrischer Seite ausgeübter Zwang zu dem vorzeitigen Zusammenstoß der feindlichen Heere geführt hat.
Ist bei diesen deutschen Erzählungen die ungenügende Kenntnis der Entstehungsumstände der richtigen Bewertunir ihrer Angaben hinderlich, so verhält es sich ähnlich mit dein Bericht jener Quelle, die unter dem Namen eines C h r o n i- con de ducibu's Bawariae von Andreas, einem Eegensburger Chorherrn des 15. Jahrhunderts, abgeschrie- ben und nach seiner Abschrift unter gleichem Titel von Oefele herausgegeben worden ist.^ Die Beurteilung dieser von 1309 bis 1372 reichenden Chronik war früher schon deshalb schwierig, weil Oefele, ohne es zu sagen, seine Vorlage nur unvollständig abgedruckt hatte, so daß der nur aus Oefeles Werk geflossene Text bei Böhmer,^ an den sich die For- schung hielt, kein richtiges Bild von ihr bot. Aber auch
1 in medio noctis silentio moventes se de loco ad partes Swevie per viam, qua vencrant, redierunt; folgt noch Erwähnung von Brand- stiftung und Gewalttätigkeit der Abziehenden. Anh. X Z. 131 f.
2 und alle ir Jierwegen helihen da. Do kom hertzog Leupold an die- selhe7i stat wid nam alles das, das er vant, heißt es in dem öster- reichischen Bericht, Anh. IX, 1 Z. 240—243.
' Oefele, Scriptores rerum Boicarum 1, 40 ff. * Böhmer, Fontes rer. Germ. 1, 137 ff.
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern, 319
seitdem Preger, Weiland und Leidinger auf die Handschrift zurückgegriffen und von ihrem Mehrbestand Nachricht ge- geben haben, ^ bleiben noch Zweifel bestehen. Die auffällige Ungleichmäßigkeit, mit der hier auch die sonst im Vorder- grund stehenden bayrischen Dinge behandelt werden, und besonders die zwischen 1348 und 135'? klaffende Lücke legen die Vermutung nahe, daß schon Andreas von Regensburg das ihm vorliegende Werk des 14. Jahrhunderts unvollständig wiedergab.^ Trotz solcher Unsicherheit der Überlieferung läßt sich deutlich erkennen, daß hier eine einheitliche,^ um das Jahr 13Y2 verfaßte Arbeit erhalten geblieben ist, deren Ursprung man mit großer Wahrscheinlichkeit in der Stadt Regensburg zu suchen haben wird. Von der Schlacht von Mühldorf trennt also diesen unbekannten Chronisten^ etwa
1 Preger teilte in den Abhandlungen der bist. Klasse der bayr. Aka- demie 14, 1, 42 einen im Druck fehlenden Abschnitt aus der Hand- schrift mit. Weiland in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften 1883, 238 ff., hat elf oder, mit Einrechnung der Gespenstergeschichte von 1371, zwölf Stellen nachgewiesen, die Oefele wegließ. Mit Ausnahme von Nr. 6 sind sie jetzt alle in der Neu- ausgabe des Andreas von Regensburg, Quellen und Erörterungen zur bayrischen und deutschen Gesxjhichte, Neue Folge 1, 76, 83 — 88, 104 und 546 verzeichnet; vgl. auch Leidingers Vorwort S. LVI ff. Die sehr wünschenswerte vollständige Herausgabe dieser Quelle stellt jetzt Leidinger in Aussicht, s. Quellen und Erörterungen, Neue Folge 3, XXXXII und Neues Archiv 40, 6.
2 Weiland a. a. 0. 245 ff. und Leidinger a. a. 0. 1, LVII und 555, Anm. 3.
3 Für die stilistische Einheitlichkeit des ganzen Chronicon sind fol- gende Wendungen bezeichnend: Böhmer, Fontes 1, 140 Z. 2 scisma illud, ebenso S. 143 Z. 12 von unten; S. 140 Z. 13 forti hahito hello vgl. S. 141 Z. 24; S. 140 Z. 20, 21 cottidianis preliis ... rapitms et incendia vgl. S. 144 Z. 8, 9 und Z. 4 v. u. (auch Quellen und Erörte- rungen, Neue Folge 1, 83 Z. 27, 28); S. 140 Z. 23 und 25 regem Ro7nanum se scrihens vgl. S. 142 Z. 4, 5 und S. 145 Z. 1 und 7; S. 140 Z. 27, 28 Baronihus . . . pecunia . . . corruptis vgl. S. 145 Z. 3 v. u-, S. 146 Z. 9; S. 140 Z. 5 v. u. Gastrum quantumvis modicum vgL S. 140 Z. 20, 21; S. 141 Z. 5 V. u. more liheralis principis vgl. S. 143 Z. 18; S. 143 Z. 18, 19 nemine siU resistente, ebenso S. 145 Z. 13 (ferner nemine eos molestante, Quellen und Erörterungen, Neue Folge 1, 84 Z. 36; nemine eum inpngnante ebenda 548 Z. 37, 38).
* Über die Möglichkeit, den vielseitigen Gelehrten Konrad von Megen- berg als Verfasser anzusehen, aJso ihm ,neben seiner großen Chronik
320 Die Berichte über die Schlacht bei Mülildorf.
ein halbes Jahrhundert, aber es wäre nicht ausgeschlossen, daß dem Verfasser über Ereignisse aus den früheren Zeiten Lud- wigs des Bayern, wie das in bezug auf den niederbayrischen Vormundschaftsstreit wahrscheinlich gemacht wurde/ schrift- liche Nachrichten von Wert zu Gebote gestanden hätten. Es spricht zugunsten des hier vorliegenden SchlachtbericTites,^ daß die merkwürdige Ortsangabe inter Müldorff et Oetinq sich mit den Worten des Salzburger Domherrn berührt, wor- nach Friedrich inter Oetingam et Muldorf Lager schlug,-^ daß die Begrenzung der Dauer des Kampfes a mane usque ad meridiem auf das Gleiche hinauskommt wie die Angabe des Mattseer Chronisten ah liora prima usque ad Jioram, nonam,^ daß die Zahl der angesehenen Gefangenen, cu7n aliis . . . potentihus et nominatim circiter mille trecentis, sich nahezu deckt mit den Meldungen der Mattseer Annalen, der Königsaaler Chronik und der Annalen von Lübeck, die von 1400 edlen Gefangenen reden. ^ Aber daß der Verfasser in der dem Schlachtbericht unmittelbar vorausgehenden Stelle über den Predigermönch Arnold, der den Sieg der Bayern vorausgesagt haben soll, sogleich von Erfüllung mancher Voraussagungen Arnolds fünfzig Jahre nach dessen Tod spricht,^ zeigt deutlich, daß er sich nicht damit begnügte, jene älteren Aufzeichnungen, die ihm etwa vorlagen, zu
ein Chionicon dueuni Bavariae' zuzuschreiben, vgl. Weiland a. a. O. 250 — 254; sie wird durch die Erörterungen, welche Schneider und Grauert im Hist, Jahrbuch 22, 609 ff. und Leidinger in der Festgabe für Heigel 160 ff. anderen Werken dieses Konrad widmeten, vielleicht noch nicht ganz beseitigt.
^ Wiehert in den Forschungen zur deutschen Geschichte 16, 67 f. und Weiland a. a. O. 254 f.
2 A n h. XV.
» Vgl. Anh. VII Z. 6 f. und dazu die verderbte Ortsangabe in der Lebensbeschreibung des Erzbischofs Balduin von Trier, Anh. XXXIII Z. If.
* Anh. II Z. 21.
5 Anh. II Z. 24, VIII Z. 49 f. und XXVIII Z. 5 f.
« Böhmer 1, 141 Z. 8, 9. Daß dadurch auch die Glaubwürdigkeit der angeblichen Prophezeiung Arnolds über den Ausgang des Thron- kampf es sehr in Frage gestellt wird, hat Pfannenschmid in Forschun- gen zur deutschen Geschichte 4, 79 nicht bemerkt.
IT. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ijändern. 321
wiederholen, sondern daß er sie auch stellenweise verändert hat. Bei dem zu 1324 gehörigen Bericht über den Ursprung des Streites zwischen Papst und Kaiser und den verräteri- schen Anteil des , Kanzlers^ Ulrich sowie in der Erzählung über Ludwigs Abdankungsplan und die Rolle, welche dabei in den Jahren 1335 und 1336 Herzog Heinrich von Nieder- bayern und der Böhmenkönig gespielt haben sollen, weicht unser Chronist so weit von der Wahrheit ab, daß man nur von einem aus mündlicher Tradition geschöpften, von sagen- haften Entstellungen umgebenen historischen Kern sprechen kann.^ Dieser Befund beeinträchtigt doch auch in hohem Maß die Zuverlässigkeit des hier zum Jahr 1322 gebotenen Berichtes. Selbst wenn derselbe aus guter schriftlicher Quelle gjeschöpft sein sollte, so ist es doch nicht ausge- schlossen, daß auch innerhalb des Schlachtberichts sich Zu- sätze fänden ; gerade die Worte in campo qui dicitur auf der Yehenwisen, die hier zuerst auftreten und sich von da aus in die jüngeren Chroniken fortgepflanzt haben, könnten allenfalls einem solchen Zusatz ihren Ursprung ver- danken.
Mit den sieben in diesem Abschnitt bisher besprochenen Quellen ist der Vorrat an etwas ausführlicheren Schlacht- darstellungen der beteiligten Länder, soweit sie nicht einer- seits als gleichzeitig, anderseits als abgeleitet hier ausscheiden, erschöpft. Aber es gibt noch eine Anzahl auf heute bayri- schem oder österreichischem Boden entstandene Aufzeichnun- gen, die in kurzen Worten, aber soviel sich erkennen läßt, ohne Anlehnung an erhaltene Vorlagen, des Ereignisses ge- denken und deshalb als Zeugnisse von dem Fortleben be- stimmter Erinnerungen ihren Wert besitzen, so daß sie bei der Ortsbestimmung der Schlacht nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Auch hier muß an die Spitze, gleichwie zu Beginn dieses Kapitels, eine in deutscher Sprache gefaßte österreichische Quelle von besonderer Eigenart gestellt wer- den. Es sind das die Ehrenreden des Peter S u c h e n w i r t, gereimte Gedichte von feststehendem Aufbau, welche der
^ Vgl. Riezler in den Forschungen zur deutschen Geschichte 14, 1 ff. und Weiland a. a. 0. 255 ff.
322 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
Lobpreisung bestimmter ritterlicher Persönlichkeiten, meist nach deren Ableben, gewidmet und mit einer Schilderung ihres Wappens verbunden wurden. Die Aufzählung der von den Gefeierten vollbrachten Heerfahrten und Kriegstaten gibt diesen Dichtungen einen nicht zu unterschätzenden Wert für die Kriegsgeschichte des 14. Jahrhunderts; sie beleuch- ten nicht bloß das ritterliche Wesen und die Art der Be- waffnung und Kampfweise, sondern sie bieten auch Einzel- heiten aus einer ganzen Reihe von Kriegshandlungen der Zeit, zumeist in guter zeitlicher Anordnung.^ Soweit es sich um die tatsächliche Teilnahme der Helden an den betreffen- den Ereignissen handelt, wird man dem Dichter namentlich dort, wo er in trockener Form ein Ereignis ans andere reiht, Glauben schenken dürfen; daß diese Reihen bei jedem Stück anders gestaltet sind, zeugt ja von dem Bestreben, die wirk- liche Kriegslaufbahn der gefeierten Ritter wiederzugeben.^ Schwieriger wäre es zu entscheiden, wie viel auf die Rech- nung ausmalender Überlieferung an solchen Stellen gesetzt werden soll, wo sich der Dichter tiefer in die Schilderung
^ Vgl. im allgemeinen Primisser, Peter Sucheuwirts Werke (Wien 1827), der S. XXIV ff. das Ritterleben des 14. Jahrhunderts nach den Dichtungen Suchenwirts schildert und S. 173 ff. den Inhalt der ein- zelnen Stücke geschichtlich zu deuten trachtet; eine Aufgabe, die freilich heute von neuem in Angriff zu nehmen sein wird und deren Lösung von der im Rahmen der Mon. Germ, in Aussicht stehenden Neuauagabe (vgl. Neues Archiv 32, 8; 35, 6; 39, 7) zu erwarten ist. Ein reichhaltiges Bild von dem Leben des Dichters gab Kratochwil im Jahresbericht des Obergymuasiums Krems 1871; dort sind S. 28 IT. auch einige von den kriegsgeschichtlich bemerkenswertesten Stellen der Ehrenreden herausgehoben.
- Von den 20 dem Schema der Ehrenreden entsprechenden Gedichten, die Seemüller in der Zeitsehr. f. deutsches Altertum 41, 1897, 216 und 218 zusammenstellte und zergliederte, entbehren drei (vgl. Seemüller S. 218, Anm. 1) der Aufzählung bestimmter Taten; Nr. 11 und 13 (vgl. Primisser XIII und S. 157, Kratochwil in der Germania 34, 1889, 480, Anm. 1 und Seemüller S. 199, Anm. 1) sind beide dem Ulrich von Wallsee, Nr. 5 und 9 (Primisser IX, X, dazu Kratochwil S. 486) beide Burkhard von Eilerbach dem Jungen gewidmet. Rechnet man jedes dieser zwei Paare nur einfach, so gibt es 15 mit Auf- zählung der Kriegstaten versehene Ehrenreden. Von diesen 15 Auf- zählungen stimmt keine mit einer andern überein.
I
II. Jüngere D;irstelliiiigen aus den beteiligten Ländern. 323
der Kampf Szenen einläßt. Für unseren Zweck kommt diese Frage nicht in Betracht, denn nur mit ziemlich kurzen Worten gedenkt der Dichter des Entscheidnngskampfes, von dem wir hier handeln.
Suchenwirt kommt an vier oder, wenn man die beiden dem Wallseer gewidmeten Fassungen als ein Stück zählt, an drei Stellen auf dieses Ereignis zu sprechen, in den Ehrenreden auf Hans von Chappell, auf Ulrich von Wall- see und auf Friedrich den Chreuzzpekch. Das zuerst ge- nannte Gedicht, das nur durch die Schlierbacher Handschrift überliefert ist,^ und ebenso das in der Wiener, der Schlier- bacher und der Seitenstettener Handschrift vorkommende auf Chreuzzpekch ^ reden von dem Streit vor Dornberg oder vor dem Dornperg. DsiQ damit die Schlacht vom 28. Sep- tember 1322 gemeint ist, zeigen deutlich die in dem erst- genannten (V. 90) darauf folgenden Worte: zwe7i hunig stritten umh daz reich, und es stimmt dazu, daß an der zweiten Stelle (V. 41 f.) auch sogleich die Verwundung und Gefangennahme des Helden erwähnt wird.^ Gefangennahme und Verwundung wird dann auch an der betreffenden Stelle der Ehrenrede auf den Wallseer * nicht verschwiegen, von welcher die Wiener Handschrift zAvei, nur wenig voneinan- der verschiedene Fassungen und auch die Schlierbacher Handschrift eine Abschrift bietet; die hier gebrauchten Worte, daß man manchen dort sterben sah unh. daz reiche, und der Ausdruck von (oder pei) seinem herren ^ lassen auch
^ Herausgegeben von Friess in den Sitzungsberichten der phil.-liist. Klasse der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien 88, 105 lt.*, Vers 87. Anh. XVI, 1.
2 Primisser 43, Nr. XIV, Vers 40. Die tlberlieferungsart der einzelnen Gedichte ist bei Kratoehwil in der Germania 34, 483 ff. bequem er- sichtlich. A n h. XVI, 3.
^ Die in diesem zweitgenannten Gedicht etwas vorher genannte Unter- nehmung Tzu Muldorf (Vers 30) bezieht sich dagegen, wie Primisser S. 250 richtig erkennt, auf die Vorgänge von 1319.
* Primisser 41, Nr. XIII, Vers 94—102. Anh. XVI, 2.
-' Die Lesart pei muß auf Gefangennahme und Verwundung in der Nähe oder im Beisein König Friedrichs gedeutet werden (vgl. Pri- Tnisser S. 243) ; wer von liest, wird wohl an die Verantwortlichkeit Friedrichs für die Schlacht denken müssen, die hier deshalb ange-
324 Die Berichte über die Schlacht bei Mühldorf.
hier keinen Zweifel an der Beziehung auf die Entscheidungs- schlacht im Thronkampf ;^ die Ortsbezeichnung wird aber in anderer Weise gegeben, nämlich mit den Worten in Payer- lande an der Ysen. Es ist für die Bestimmung des Schlacht- feldes von Bedeutung, daß Suchenwirt in keinem dieser Fälle Mühldorf nennt, die Stadt, deren Namen ihm doch auch sonst bekannt war.^ Das ist bezeichnend für die Kreise, an die er seine Ehrenreden richtet, und für die Quellen, aus denen er selbst seine Kenntnis geschöpft haben muß. Drei bis vier Jahrzehnte nach jenem Ereignis schreibend,^ war Suchenw^irt bei dem Bericht über die Kriegstaten ver- storbener Helden auf die Mitteilungen angewiesen, die ihm aus der Familie oder der ritterlichen Umgebung dieser Männer zuteil wurden, wenn sie ihm nicht etwa selbst vor ihrem Tode Erinnerungen aus ihrer Kriegszeit erzählt hatten. So oder so ergibt sich daraus die wichtige Tatsache, daß die Schlacht bei Mühldorf noch nach einem Menschenalter im Mund jener österreichischen Ritter, die dort für König Friedrich gekämpft, nach dem Dornberg oder der Isen be- nannt wurde, daß also diese Namen sich seither lebendig in der Erinnerung der Beteiligten erhalten hatten. Die kurzen Verse Suchenwirts besitzen daher für uns den Wert unab- hängiger Zeugnisse über den Schlachtort.
deutet werden konnte, weil ja nach dem Wortlaut des ,Streites',, Anh. IX, 1 Z. 85 f., 2 Z. 84 f., auch Ulrich von Wallsee die Annahme der Schlacht widerraten zu haben scheint; vielleicht darf aber statt dessen vor gelesen werden.
1 Vielleicht sind auch die Worte an dem sein trew er nie geprach mit Absicht gewählt; auf Ulrich von Wallsee oder auf seinem Bruder Heinrich lastete ja der Vorwurf, daß er das in der Gefangenschaft dem Herzog Heinrich von Niederbayern gegebene Wort brach, weil dieser allzu hohe Versprechungen von ihm erpreßt hatte. Vgl. die Fürstenfelder Chronik, Anh. X Z. 101 f. und oben S. 296.
2 Außer der Stelle in Primisser XIV, die sich auf 1319 bezieht (s. die vorhergehende S. Anm. 3), vgl. auch Primisser 61, Nr. XVIII, Vers 410, wo es sich um Ereignisse aus der Zeit Herzog Rudolfs IV. handelt.
"• Die Entstehungszeit der Gedichte ist bei Seemüller S. 222 f. am besten ersichtlich. Nach seiner Zusammenstellung entstand 2 a (auf den Chappeller) zwischen 1354 und 1357, U und 13 (auf den Wallseer) zwischen 1359 und 1370 (oder 1372/73), 14 (auf den Chreuzpekcher) zwischen 1360 und 1370 (oder 1372/73).
II. Jüngere Darstellungen aus den beteiligten Ländern. 325
Sehr kurz, aber doch nicht wertlos sind auch die Worte, mit denen Nikolaus G r i 1 1, ein ani^esehener Bürger des salzburgischen Mühldorf, in seiner im Jahr 1400 nieder- geschriebenen Chronik jener Schlacht gedenkt, die sich einst unfern seiner Vaterstadt zugetragen hatte.^ Er vermerkt als Jahrzahl fälschlich 1323 statt 1322, weiß nichts Näheres von dem Hergang, sondern nur, daß es ein Sieg Kaiser Ludwigs über den Herzog von Österreich war, nennt aber als Ort des ,großen Streites': ze dem Darmverch pei Muldorff. Nikolaus Grill war, als er dies schrieb, schon ein bejahrter Mann; denn er hatte seine Ehe mit seiner Hausfrau Elisa- beth, wie aus dem Testament von 1419 hervorgeht,^ im Jahr 1363 geschlossen, so daß wir ihn als um 1340 geboren an- zusehen haben. Seine Erinnerungen können also immerhin bis nahe an die Mitte des Jahrhunderts zurückgereicht haben und sie sind daher auch in den älteren Teilen beachtens- wert, wenn ihm auch bei der späten Niederschrift einzelne Irrtümer unterlaufen sind.^ Bemerkenswert ist die Orts- angabe ze dem Darnwerch schon deshalb, weil Grill noch an mehreren anderen Stellen diese sieben Kilometer nord- östlich von Mühldorf gelegene Burg erwähnt, ihr also eine
1 Anh. XVII.
' Chroniken der deutschen Städte 15, 378 ff.
^ Vgl. die kritischen Bemerkungen von K. Th. Heigel in den Chroni- ken der deutschen Städte 15, 388 ff., ferner in bezug auf die Zahlung des Erzbisehofs Pilgrim an die Kurie (ebenda S. 385 zu 1365) Lang, Acta Salzburgo-Aquilejensia 1, S. LH, Anm. 3 und darnach Widmann, Geschichte Salzburgs 2, 110, Anm. 2. Indes ist es wohl ein Miß- verständnis, wenn diese beiden aus Grills Worten aver er must gein Kam mer dan 40 000 guidein gehen dem pahst eine Romreise Pil- grims herauslesen; zu den 10.000 fl. des serv. commune sind jedenfalls die servitia minuta und vielleicht noch andere Auslagen hinzuge- rechnet. Vgl. auch Lang S. LXXIV, Anm. 2. — Als Zeichen für weit zurückreichende genaue Erinnerungen Grills dürfen die zu 1364 erwähnten Tagesangaben {in die Bonifacii, in die Augustinus, S. 385) genannt werden. An gleichzeitige Führung der Chronik ist für diese Zeit aber kaum zu denken. Der zwischen Bl. 11 und 12 anzutreffende gleichzeitige Vermerk über den Mühldorfer Brückenbau von 1363 (a. a. 0. 389, Anm. 11) steht auf besonders eingeheftetem Zettel, kommt aLso für die auf f. 14' — 16 eingetragene, bis 1397 von der ältesten Hand geschriebene Chronik (vgl. S. 382) nicht in Betracht.
Archiv. 105. Bd. H. Hälfte. 22
326 Die Berichte über die Schlaclit bei Mühldorf.
gewisse Aufmerksamkeit widmet. Darauf mag außer der Nachbarschaft auch noch der Umstand eingewirkt haben, daß Grill nicht bloß in der Stadt Mühldorf Hausbesitz hatte, sondern auch in der dem Dornberg noch näher gelegenen Umgebung der Stadt, am Mößlinger Steig und in Hart- hausen, begütert war; diese Beziehungen werden ihn mehr als einmal in die Gegend des für die Stadtgeschichte so be- deutenden Dornberg gebracht haben, wie er denn gerade sein Gut zu Harthausen ganz oder teilweise im Jahr 1389 von einem in unmittelbarer Nähe der Burg angesessenen Manne, Hans von Güntzkofen, käuflich erworben hatte. ^ Bei solcher Vertrautheit mit den Örtlichkeiten muß der Orts- angabe Grills, obwohl sie später aufgezeichnet ist als die bisher besprochenen Quellen, doch ein ganz besonderer Wert beigelegt werden.
Zu den jüngeren bayrischen Erwähnungen der Schlacht kann auch eine nach Entstehungsort und Entstehungszeit nicht genauer bestimmte Stelle gezählt werden, die mehr wegen ihrer Herkunft als wegen ihres Gehaltes Beachtung verdient. Sie findet sich in Verbindung mit einem dürftigen Annalenauszug, der zuerst die Jahre 1204 bis 1260 umfaßt zu haben scheint und dann verschiedene ebenso ärmliche, ins 14. Jahrhundert herabreichende Fortsetzungen erfuhr. Zwei von den betreffenden Handschriften ^ lassen diese Reihe (die Waitz wohl nicht ganz richtig als Annales Burghausen-
^ Vgl. Heigel a. a. 0. 379 f. Auch die .Siegelzeugenschaft Grrills in dem Stiftungsbrief des Hartlieb Fischer 7ai Mettenheini zeigt, daß Grill in den am linken Innufer gelegenen Dörfern (Mettenheim etwa 5 km nordwestlieh von Mühldorf) ein bekannter Mann gewesen ist.
2 Es sind dies 1. Cod. Vindobonensis 1042 (Theol. 379), beschrieben mit Abdruck der von einer Hand des 14. Jahrhunderts auf f. 1 eingetragenen Notae temporum von Denis, Codices manuscr, theol. bibliothecae pal. Vindobonensis 1, 173 ff. (erwähnt von Kern in den Clironiken der deutschen Städte 1, 322) ; 2. der Cod. Admuntensis 642 s. XIV, beschrieben von Wattenbach im Archiv 10, 642; 3. der Cod. Giessensis 176, vgl. auch Mon. Germ. SS. 20, 112 und Const. 1, 661, vom Jahr 1470; 4. der Cod. lat. Monacensis 24571 s. XV, vgl. Mon. Germ. SS. 13, 236; 5. der verschollene Codex Seldentalensis, abge- druckt in Mon. Boica 15, 506 ff, und darnacli größtenteils wiederholt Mon. Germ. Neer. 3, 360 ff. ; 0. scheint auch Cod. Germ. Monacensis
II. Jüngere Darstellungen ans den beteiligten Ländern. 327
ses,^ Wattenbacli fast gleichzeitig als ein Additamentum der Salzburger Annalen ^ herausgab, die sich aber auch enge an Böhmers Annales Seldentalenses ^ anlehnt) mit einer Notiz über die Schlacht von 1322 und einem Hinweis auf Lud- wigs Kaisertum schließen. Dabei ist das Jahr in dem einen Kodex (gleich den anderen Jahresangaben) weggelassen, in dem andern durch das unrichtige 1316 bezeichnet. An ganz gleichzeitige Entstehung des uns hier vorliegenden Ver- merks über die Schlacht ist nicht zu denken; er dürfte aber wohl, da der Tod des Kaisers nicht erwähnt wird, noch bei Ludwigs Lebzeiten, also in den Jahren 1328 bis 1347, und zwar wahrscheinlich in der Gegend von Burg- hausen, vielleicht in dem Zisterzienserstift Elaiten- h a s 1 a c h, aufgezeichnet worden sein.'* Trotz der Nähe des Schlachtfeldes ^ und des geringen Zeitabstandes hat man es aber nicht der Mühe wert erachtet, die Örtlichkeit genauer anzuführen als mit den für uns wertlosen Worten profße Müldorff.
Drei viel w^eiter von dem Schauplatz des Kampfes ab- gelegenen bayrischen Stiftern, dem Chorherrenstift zu I n- d e r s d o r f , westlich von Freising, und den Benediktiner- abteien zu E n s d o r f und K a s 1 1 bei Amberg verdanken wir ähnliche kurze Meldungen über den Kampf.^ Jene von
207 s. XV f. 155'— 158' nach der Angabe Waitzens, SS. 24, 61, hier- her zn gehören. Die Stelle betreffend 1322 steht nur in 3 und 4. Vgl. Anh. XVITI.
1 Mon. Germ. SS. 24, 1879, 62.
2 Mon. Germ. SS. 13, 1881, 238 ff., wo auf Waitzens Ausgabe nicht verwiesen wurde.
3 Böhmer, Fontes 3, 526 ff.
* Auf dieses Stift weist die Angabe über Marktpreise zu Burghausen, welche Stadt in einer Gehstunde von Raitenhaslach zu erreichen ist, und die in den Handschriften 1, 2, 3 und 5 an die Spitze gestellte Nachricht von der Gründung des Zisterzienserordens..
^ Raitenhaslach liegt, in der Luftlinie gemessen, von Mühldorf nur 25 km entfernt.
« Annales Undersdorfenses. Mon. Germ. SS. 17, 332 und Annales Ens- dorfenses, ebenda 10, 7